Archiv für den Monat: Februar 2012

Literatur zum Immunsystem der Pflanzen, Teil 1

Um den Auswertungsrückstand aufzuholen, werde ich alle Artikel, die ich zum Thema „pflanzliches Immunsystem“ gelesen habe, auflisten, verlinken, verschlagworten und ggf. grob zusammenfassen. Das ist sicher nicht schön zu lesen, ja vermutlich total unverständlich, hilft mir aber, Informationen rasch wiederzufinden, wenn ich das entsprechende Buchkapitel schreibe.

Die Artikel sind nicht alphabetisch sortiert, sondern grob thematisch gruppiert. Den ersten, relativ alten Text fasse ich ausführlicher zusammen, weil sich in ihm einige grundlegende Konzepte abzeichnen.

Roger W. Innes: Guarding the goods. New insights into the central alarm system of plants. Update to Pathogen Recognition. Plant Physiol. 2004 Jun;135(2):695-701. doi: http:/​/​dx.​doi.​org/​10.​1104/​pp.​104.​040410
Indirekte Pathogen-Überwachungssysteme in Pflanzen. H. H. Flor 1956: Lein-Rostpilz und Lein; in der Pflanze Resistenzgen R, im Pathogen Avirulenzgen avr; Parallelen zur Wechselwirkung zwischen Antigen und Antikörper. Seither über 50 pathogenspezifische R-Gene in 10 Pflanzenarten (Einkeimblättrige/Monokotyledonen und Zweikeimblättrige/Dikotyledonen) identifiziert.   Weiterlesen

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 3

Nachdem die Autoren der beiden bereits vorgestellten Studien zu diesem Thema zu dem Schluss gelangten, dass zumindest einige Allergien einen gewissen Schutz vor Autoimmunerkrankungen darstellen, wird es Zeit für einen Dämpfer: Wie in beiden Studien erwähnt, fanden andere Forscher keine belastbaren negativen Korrelationen zwischen diesen beiden Erkrankungstypen. Im Jahr 2011 erschien ein Review-Artikel, in dem die Frage durch eine Metaanalyse (eine systematische Zusammenführung der Ergebnisse mehrerer Einzelstudien) beantwortet werden sollte. Hier die Zusammenfassung – wie immer: noch nicht allgemein verständlich aufbereitet. Dazu werde ich demnächst einen kleinen Zeichentrickfilm drehen.

L. Monteiro et al., Association between allergies and multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis. Acta Neurol Scand 2011, 123/1: 1–7. DOI: 10.1111/j.1600-0404.2010.01355.x

Abstract: Multiple Sklerose (MS) ist eine Th1-dominierte Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems. Die vorliegende systematische Übersicht und Metaanalyse soll die umstrittene Beziehung zwischen MS und Allergien klären. Alle entsprechenden klinischen und epidemiologischen Studien, die bis zum Juli 2009 veröffentlicht wurden, sollten auf ihre Tauglichkeit für eine Einbeziehung in die Metaanalyse untersucht werden. Von 1010 gefundenen Artikeln wurden schließlich 10 Studien in der Analyse zusammengefasst. Das Ergebnis: Es gibt keine signifikante Assoziation zwischen MS und Allergien (odds ratio: 0,91; Konfidenzintervall 95%: 0,98-1,23), Asthma (OR: 0,83, KI: 0,48-1,44), allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, OR: 0,81, KI: 0,59-1,12) oder Ekzemen (OR: 0,93, KI: 0,71-1,23).   Weiterlesen

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 2

Gestern habe ich von einer großen Studie aus dem Jahr 2006 berichtet, der zufolge Asthma bzw. die dahinter stehende Th2-Dominanz der Immunabwehr die Wahrscheinlichkeit des späteren Auftretens etlicher Autoimmunerkrankungen senkt. Einer ähnlichen Fragestellung gingen drei Jahre später italienische Forscher mit einer anderen Methodik nach:

Roberto Bergamaschi et al: Inverse relationship between multiple sclerosis and allergic respiratory diseases. Neurol Sci 2009, 30/2: 115-118, DOI: 10.1007/s10072-009-0036-8

Abstract: Die Entdeckung der Th17-Zellen, die sowohl Autoimmunerkrankungen als auch Allergien zu fördern scheinen, hat das alte Th1-/Th2-Paradigma in Frage gestellt. Die Autoren haben 200 Patienten mit der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) und eine gleichgroße Kontrollgruppe auf die Prävalenz allergischer Atemwegserkrankungen  untersucht. Die MS-Patienten litten erheblich seltener unter allergischen Atemwegserkrankungen (odds ratio 0,30) und unter allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, odds ratio 0,25) als die Kontrollgruppe. Außerdem war die MS bei Patienten, die zusätzlich Allergien hatten, im Durchschnitt schwächer als bei den Patienten ohne Allergien.   Weiterlesen

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 1

Diese Frage wird schon lange diskutiert und erforscht. Dahinter steckt das bis vor wenigen Jahren kaum hinterfragte Standardmodell der zweiarmigen erworbenen Immunabwehr: Im gesunden Organismus sind die Th1-dominierte zelluläre und die Th2-dominierte humorale Immunabwehr im Gleichgewicht; die Botenstoffe im Th1-Arm hemmen den Th2-Arm und umgekehrt; beide Abwehrtypen werden so im Zaum gehalten.

Wird das Gleichgewicht – beispielsweise aufgrund genetischer Anlagen – zugunsten des Th1-Arms gestört, so kommt es typischerweise zu Autoimmunerkrankungen: Die zelluläre Abwehr richtet sich gegen körpereigenes Gewebe und wird zum Selbstläufer, weil die Entzündungsreaktion nicht mehr von Th2-Botenstoffen eingedämmt wird. Gewinnt dagegen der Th2-Arm die Oberhand, so entwickelt der Betroffene Allergien oder Asthma: Es werden massenhaft Antikörper gegen an sich harmlose Pollen oder andere Umweltstoffe freigesetzt; der Mangel an hemmenden Th1-Cytokinen führt wiederum zur Chronifizierung.

Doch dann zeigte sich, dass es neben T-Helferzellen von Typ 1 und 2 noch weitere Subpopulationen gibt, die nicht zu diesem einfachen Wippen-Modell passen. Neben den Th17-Zellen wären vor allem die regulatorischen T-Zellen oder Tregs zu nennen, die im Normalfall beide Arme der erworbenen Immunabwehr bremsen, bevor es zu chronischen Reaktionen kommt, und die dies bei Autoimmunerkrankungen oder Allergien nicht schaffen, weil es zu wenige von ihnen gibt oder weil sie inaktiv sind.

Dennoch sind viele Autoimmunerkrankungen tatsächlich Th1-dominiert, während Allergien Th2-geprägt sind. Müsste dann nicht eine vorliegende Erkrankung aus einer der beiden Kategorien eine weitere Erkrankung aus der anderen Kategorie ausschließen oder zumindest unwahrscheinlicher machen bzw. schwächer ausfallen lassen? Dieser Fragestellung sind bereits viele Forschergruppen nachgegangen – mit widersprüchlichen Ergebnissen. Hier und in den folgenden beiden Artikeln stelle ich zwei Studien und einen Review-Artikel vor.   Weiterlesen

Mindestens 14 Prozent der US-Bevölkerung haben Autoantikörper im Blut

Eigentlich befasse ich mich gerade mit der Frage, ob Th1-getriebene Autoimmunerkrankungen  und Th2-dominierte Allergien einander ausschließen, aber bevor ich darüber blogge, will ich noch schnell eine neue epidemiologische Studie über die Häufigkeit antinukleärer Antikörper im Serum und mögliche soziodemografische Einflussgrößen zusammenfassen. Der Text ist – wie immer – noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet.

Minoru Satoh et al.: Prevalence and sociodemographic correlates of antinuclear antibodies in the United States. Arthritis & Rheumatism, accepted, unedited article published online for future issues, DOI: 10.1002/art.34380

Abstract

Als antinukleären Antikörper (ANA) bezeichnet man alle Autoantikörper, die sich gegen Bestandteile des Zellkerns richten. Sie sind die am weitesten verbreitete Klasse menschlicher Autoantikörper. Oft sind sie ein Vorzeichen für Autoimmunerkrankungen wie SLE; ihr Nachweis ist daher eine nützliche Diagnosehilfe. Die Autoren wollten die ANA-Prävalenzen und -Typen in der US-Bevölkerung ermitteln und prüfen, welche soziodemografischen Faktoren (Alter, Geschlecht, Ethnie, Einkommen, Bildung usw.) oder Verhaltensweisen (Trinken und Rauchen) ihr Auftreten beeinflussen. Für ihre Querschnittstudie verwendeten sie NHANES-Daten von 4754 Personen aus den Jahren 1999 bis 2004. Im Serum von 13,8 Prozent der über 12-Jährigen konnten sie ANA nachweisen. Frauen waren mit 17,8 Prozent stärker betroffen als Männer (9,6 Prozent), Afroamerikaner stärker als Weiße (odds ratio 1,3). Erstaunlicherweise hatten übergewichtige und fettleibige Teilnehmer seltener ANAs im Blut als Normalgewichtige (odds ratio 0,74), obwohl Fettleibigkeit eigentlich als Faktor gilt, der chronische Entzündungen begünstigt. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung hieße das, dass über 32 Millionen US-Amerikaner ANA haben.   Weiterlesen