Immunologische Meldungen aus Spektrum 7/2012 und BiuZ 3/2012

Spektrum der Wissenschaft, Juli 2012

S. 8, Starkes Immunsystem führt zu Kleinwuchs der Pygmäen: Kurzmeldung auf der Basis einer Arbeit von Sarah Tishkoff und ihrem Team aus PLoS Genetics 8, e1002641, 2012 (Open Access). Pygmäen sind wohl deshalb so klein, weil die genetische Basis der Körpergröße eng mit Genen für die Funktion des Immunsystems gekoppelt ist, vor allem in einem Bereich des Chromosoms 3. Im Lebensraum der Pygmäen herrscht ein enorm hoher Selektionsdruck durch Krankheitserreger, z. B. Malaria- oder Tuberkuloseerreger. Die nötige erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen ging auf Kosten der Körpergröße. (Wichtig für Teil III meines Buches.)

Biologie in unserer Zeit, 3/2012

S. 152, Axel Brennicke, Innere Uhr. Pflanzen bereiten sich auf den abendlichen Angriff von Insekten vor: Bericht auf der Basis einer Studie von D. Goodspeed et al., Proc Natl Acad Sci USA 2012, 109, 4674 (Closed Access, nur Abstract). Da eine alarmbereite Immunabwehr energetisch kostspielig ist und u. U. auch dem eigenen Gewebe schaden kann, regulieren Pflanzen ihre Abwehrkraft gegen die Raupen im Tagesverlauf je nach voraussichtlicher Gefahrenlage hormonell hinauf oder herab. Abends, wenn die Raupen am meisten fressen, schmecken die Blätter besonders bitter, weil das Hormon Jasmoninsäure, das mittags seine höchste Konzentration erreicht, im Laufe des Nachmittags für eine Anhäufung von Bitterstoffen sorgt. Diese durch die circadiane Uhr der Pflanze gesteuerte Vorsorgemaßnahme wird dann bei den ersten tatsächlichen Bissen von Raupen noch um akute Abwehrmaßnahmen ergänzt. Gegen Schädlinge und Erreger, die in die Pflanze eindringen, um von ihren Nährstoffen zu leben, wirkt ein anderer Arm des pflanzlichen Immunsystems, der durch Salicylsäure gesteuert wird. (Ebenfalls für Teil III meines Buches geeignet.)

S. 174ff, Wolfgang Schumann, Bakterien-Evolution: Das bakterielle Mobilom. Artikel über die Transposons und sonstigen mobilen Elemente, die auf drei Wegen asexuell und horizontal zwischen verschiedenen Baktertien ausgetauscht werden, nämlich Transformation (Aufnahme nackter DNA aus der Umgebung), Konjugation (Übertragung von Plasmiden von einer Donor- auf eine Empfängerzelle, v. a. durch Pili) und Transduktion (Infektion durch Phagen, also Viren, die Bakterien befallen). Das Genom von Escherichia coli kann z. B. zwischen 4,56 und 5,7 Millionen Basenpaare umfassen, weil es mal mehr, mal weniger mobile Elemente enthält. (Ebenfalls für Teil III interessant, gerade i. Zsh. mit der Auswirkung der Umwelt auf die Zusammensetzung unseres Mikrobioms; Bsp.: mikrobielle Porphyranase-Gene im Mikrobiom der japanischen Bevölkerung wg. Verzehr von Rotalgen, s. Kau et al. 2011.)

Schwerter zu Pflugscharen

Das Darmepithel, der Schleim mit seinen antibakteriellen Substanzen und die darmnahen Lymphozyten sollen unser Gewebe nicht nur vor Pathogenen (oben rechts) schützen, sondern auch vor Angehörigen der normalen Darmflora, die aus dem Darmlumen (links) ausgebüxt sind und im Gewebe Unheil anrichten (Mitte). Solche Symbionten werden aus dem Verkehr gezogen, ohne einen Großalarm auszulösen: Entzündungshemmende Zytokine und regulatorische T-Zellen (Tregs) begrenzen den Schaden, den eine Entzündung stets für den eigenen Organismus mit sich bringt. Gefährliche Keime lösen dagegen eine Entzündungsreaktion aus, die bei extrazellulären Pathogenen Th2- und Th17-dominiert und bei intrazellulären Pathogenen Th1-dominiert ist.  Weiterlesen

IgA, IgE und IgM

Neben dem zähen Schleim, den in ihn eingebetteten antibakteriellen Peptiden und der mechanischen Barriere des Darmepithels mit seinen Tight Junctions sorgen auch in die Schleimschicht abgeschiedene Immunglobuline (Antikörper) für einen Schutz vor Pathogenen und vor allzu aufdringlichen Kommensalen. Es gibt mehrere Typen von Immunglobulinen, die sich in ihrem Aufbau, ihrer Funktion und ihren Einsatzorten unterscheiden. Im Darm finden wir vor allem IgA (links), und zwar zumeist als Dimer: Zwei Antikörper sind an ihrem konstanten Ende (am „Stamm“ des Y) miteinander verbunden und mit einer Peptipkette umwickelt. IgA bindet vor allem an Bakterien.   Weiterlesen

Sesam öffne dich: Dendritische Zellen und Tight Junctions

Im gesunden Darm ist das Epithel für Pathogene und ihre Giftstoffe nahezu undurchdringlich, da die Epithelzellen in der Nähe ihrer apikalen (also dem Darmlumen zugewandten) Seite durch Bänder von sogenannten Tight Junctions eng miteinander verbunden sind. Diese sehen unter dem Elektronenmikroskop in der Aufsicht ein wenig wie Steppdecken aus (Bildmitte). Die „Steppnähte“ bestehen aus speziellen Proteinen, die zusammen wie ein Klettverschluss funktionieren (rechts). Die Proteine tragen zum Teil sprechende Namen wie Claudin (von lat. claudere = schließen, versperren) oder Occludin (von lat. occludere = zuschließen). Claudin ist ein Transmembranprotein, dessen beide Enden im Zytoplasma der Epithelzelle lokalisiert sind und das mehrfach die Membran durchstößt, um im Raum zwischen zwei Epithelzellen zwei Schlaufen zu bilden, die sich mit den Schlaufen der Nachbarzelle „verhakeln“, aber auf bestimmte Signale hin den Durchgang freigeben (rechts, Querschnitt durch die Membranen zweier Epithelzellen).   Weiterlesen

Schleim: zäh, fesselnd und antibakteriell

Die Schleimstoffe oder Mucine, die von den Becherzellen im Darmepithel abgesondert werden, polymerisieren (= vernetzen sich) im Darmlumen zu einer Matrix.

In die innere Schleimschicht sind antibakterielle Substanzen aus den Epithelzellen eingebettet, die schädliche Bakterien bekämpfen, welche dem Epithel trotz der Zähigkeit des Schleims zu nahe gekommen sind – z. B. das „klebrige“ Lektin RegIIIy und das Peptid α-Defensin, das wegen seiner vielen positiv geladenen und hydrophoben Aminosäuren besonders gern an negativ geladene, cholesterinarme Bakterienmembranen andockt.

Die Darmschleimhaut: Slartibartfaß‘ Meisterwerk

Dass unsere Darmschleimhaut eine Gesamtfläche von 200 bis 300 Quadratmetern einnimmt, liegt an ihrer mehrfachen Fältelung (Falten, Zotten und Mikrovilli). Die Fläche muss so groß sein, um alle Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Zugleich bergen die enorm große Kontaktfläche zum Darmlumen und die Aggressivität des Darminhalts (Verdauungsenzyme, pH-Wert, Mikroben) Risiken, die durch physikalische, chemische und physiologische Schutzmaßnahmen minimiert werden.   Weiterlesen

Schützen Alkohol- und Tabakkonsum vor Hashimoto-Thyreoiditis?

Bitte nicht gleich lossaufen, sondern erst den Artikel lesen. 🙂

Grigoris Effraimidis, Jan G. P. Tijssen, Wilmar M. Wiersinga: Alcohol Consumption as a Risk Factor for Autoimmune Thyroid Disease: A Prospective Study. Eur Thyroid J, 7. Juni 2012 (doi defekt, Abstract hier)

Soll man überhaupt über Studien berichten, in denen als gesundheitsschädigend eingestufte Verhaltensweisen wie Trinken und Rauchen plötzlich als mögliche Schutzfaktoren für bestimmte Autoimmunerkrankungen diskutiert werden? Ja, natürlich. Mündige Patienten können nur dann (im Idealfall gemeinsam mit ihren Ärzten) abwägen, was sie an ihrem Leben ändern sollten, um Verschlimmerungen einmal diagnostizierter Autoimmunerkrankungen aufzuhalten, wenn sie rundum informiert sind.

Dies ist die erste prospektive Studie zur Auswirkung von Alkoholkonsum auf den Ausbruch einer Hypothyreose bei anfangs noch gesunden Personen, in deren Familien Schilddrüsenerkrankungen bekannt sind. Prospektive Studien haben gegenüber den weitaus häufigeren retrospektiven Studien den Vorteil, dass falsche Erinnerungen bei nachträglichen Befragungen usw. weitgehend ausgeschlossen werden können.   Weiterlesen

Menschen sind Inseln

Allmählich hält die Ökosystemtheorie Einzug in die Immunologie. Immer mehr Forscher plädieren dafür, sich von der alten Kriegsmetaphorik zu verabschieden und die Wahrung der menschlichen Gesundheit eher wie die Pflege eines Naturschutzgebiets anzugehen: Bevor man Organismen bekämpft, sollte man wissen, welche  Rollen sie im jeweiligen Ökosystem spielen. Sonst geht es uns mit unseren Symbionten und Kommensalen so wie mit der Vogelwelt auf so mancher Insel, auf der Katzen eingeführt wurden, um die Ratten in Schach zu halten. Womöglich ist genau das schon passiert, als wir in der ersten Welt bestimmte Würmer und Bakterien ausgerottet haben, die über Jahrhunderttausende auf und in uns lebten – mit der Folge, dass Autoimmunerkrankungen überhand nehmen.

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Was Waddingtons epigenetische Landschaft mit dem Immunsystem zu tun hat

Jetzt wird’s abstrakt … und danach wieder etwas konkreter. Die Erläuterung verschiebe ich auf das Buch. 🙂 Nur so viel: Die Anordnung der Einflussfaktoren im unteren Bild ist willkürlich. Epigenetische Veränderungen, Umweltsubstanzen (z. B. aus der Nahrung) und Aktivitäten unseres Mikrobioms können auch einen gesunden Endzustand des Systems fördern.

Nur so viel: Die Anordnung der Einflussfaktoren im unteren Bild ist willkürlich. Epigenetische Veränderungen, Umweltsubstanzen oder die Aktivitäten des Mikrobioms können auch einen gesunden Endzustand des Sstems fördern.