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Antigen-präsentierende Zellen spenden T-Zellen ihre Telomere

Telomere und ihre Rolle bei der Alterung (Seneszenz) von Immunzellen habe ich im Blog schon öfter thematisiert, denn ihre Verkürzung bei jeder Zellteilung könnte einer der Faktoren sein, die bei älteren Menschen zum Ausbruch von Autoimmunerkrankungen beitragen. Jetzt gibt es sensationelle Neuigkeiten:

Lanna, A., Vaz, B., D’Ambra, C. et al. An intercellular transfer of telomeres rescues T cells from senescence and promotes long-term immunological memory. Nat Cell Biol (2022). https://doi.org/10.1038/s41556-022-00991-z

Bei Nature in der Artikel nur in einer Leseansicht ohne Markierungs- und Download-Funktion verfügbar, aber das Manuskript ist bei biorxiv zu finden. Frei zugänglich ist auch die Meldung bei The Scientist: T Cells Ward Off Aging with Help from Their Friends

Abstract: T-Zellen sollen nach bisheriger Vorstellung ihre Alterung aufhalten durch Telomerase, die ihre Telomere wieder verlängert (s. Nothing in Oncology Makes Sense Except in the Light of Evolution). Die Autor*innen zeigen hier: Vor allem naive T-Zellen und zentrale Gedächtnis-T-Zellen nehmen Telomer-Vesikel von APCs auf und verlängern ihre Telomere so ohne Telomerase-Aktivität. Bei Kontakt bauen APCs Shelterin ab; ihre Telomere werden vom Trimming-Faktor TZAP abgeschnitten und an der Immun-Synapse in extrazelluläre Vesikel verpackt. Diese enthalten auch den Rekombinationsfaktor Rad51, der die Fusion mit Enden der T-Zell-Telomere bewirkt. Die antigenspezifischen T-Zellen empfangen die Telomerverlängerungen (im Mittel ca. 3000 Basenpaare) vor ihrer klonalen Expansion, was zu langfristiger Immunität führt.

Intro: Telomere = TTAGGG-Wiederholungen. Bei kurzen Telomere von < 4kb lässt die Teilungsfähigkeit nach (replikative Seneszenz). Bei vielen Alterskrankheiten und Krebs werden kurze Telomere beobachtet. Zellen können die Verkürzung mit oder ohne Telomerase aufhalten. – Immunologische Synapsen dienen der Kommunikation zwischen APCs und Lymphozyten, initiieren Immunreaktionen, die zu langlebigen Gedächtnis-T-Zellen führen. Eine Synapse aktiviert die Telomerase in der T-Zelle zunächst; mehrfache synaptische Interaktion zieht aber einen Aktivitätsrückgang nach sich und damit die Seneszenz der T-Zelle, ein Nachlassen des immunologischen Gedächtnisses, u. U. also mehr Infektionen, Krebs, Tod. Telomerase allein kann also die T-Zell-Seneszenz letztlich nicht verhindern. Wenn T-Zellen aber Telomere aus APCs empfangen, werden sie zu Stammzell-ähnlichen und/oder zentralen langlebigen Gedächtniszellen, während andere T-Zellen altern und sterben. Die APCs entscheiden also bei der ersten Synapse über das Schicksal der T-Zellen.

Ergebnisse: Das Team hat eine Verlängerung von T-Zell-Telomeren und gleichzeitige Verkürzung von APC-Telomeren beobachtet, in Gegenwart von Antigenen aus Epstein-Barr-Virus-, Influenza-Virus- und Cytomegalovirus-Lysaten. Das klappt auch in T-Zellen ohne Telomerase (Knock-out), kann auch nicht auf alternativem Telomer-Verlängerungs-Mechanismus per Rekombination und DNA-Synthese beruhen, weil sich die T-Zellen noch gar nicht teilten. Gelabelte Telomer-DNA aus den APCs tauchte später in den T-Zellen auf; damit war die Herkunft belegt. TCR-besetzte planare Lipiddoppelschichten lösen die Telomer-Freisetzung aus den APCs ebenso gut aus wie komplette T-Zellen. Außer TCR sind auch Anti-CD3 und Antigene auf den APC-MHC-Komplexen nötig. Die APCs sterben nicht nach Telomer-Angabe, zeigen auch kein Blebbing. Myeloide APCs (dendritische Zellen und Monozyten) geben am meisten Telomere ab, B-Zellen weniger. Die Vesikel enthalten außer Telomeren auch Histokompatibilitäts-Antigen-Proteine sowie TZAP (telomeric zinc-finger associated protein), ein telomerbindendes Protein, das die terminalen Enden von Chromosomen beschneidet (Telomer-Trimming) und fürs Abschneiden und Verpacken der Telomere nötig ist. Damit TZAP an die Telomere binden kann, muss das Shelterin herunterreguliert und abgebaut werden, das die Telomere normalerweise stabilisiert und vor DNA-Reparaturmechanismen beschützt. Die Vesikel enthalten auch Rad51, einen homologen Rekombinationsfaktor, der an der Telomer-Verlängerung beteiligt ist und für den Anbau der gestifteten Telomere in den T-Zellen nötig ist. In Mäusen wandern die T-Zellen mit den APC-verlängerten Telomeren rasch in Langzeit-Überlebensnischen wie Milz und Lymphknoten; im Blut sind sie kaum zu finden.
Influenza-Impf-Experiment: Mäusen wurden antigenspezifische, geprimete T-Zellen mit APC-verlängerten oder mit nicht verlängerten Telomeren injiziert; die Kontrollgruppe erhielt keine solchen T-Zellen. Entweder 18 Stunden oder 15 Tage nach der Injektion wurden die Tiere mit Influenza infiziert. Ungeimpfte Mäuse starben alle rasch; mit unveränderten Telomer-T-Zellen wurde die frühe Infektion gut abgewehrt (alle Tiere überlebten), die späte Infektion aber nicht (alle Tiere starben im Lauf einige Tage), weil kein Gedächtnis ausgebildet wurde. Mäuse mit T-Zellen mit APC-verlängerten Telomeren überlebten sowohl eine frühe als auch eine späte Infektion; das immunologische Gedächtnis reichte aus.

Diskussion: Es gibt auch andere Pfade zu Gedächtnis-T-Zellen, teils von naiven T-Zellen ausgehend, teils nach Effektor-Tätigkeit durch Umschalten von Glykolyse auf oxidative Phosphorylierung. Vermutung: Die Antigenstärke könnte die Menge der übertragenen Telomere und damit die Zahl der möglichen nachfolgenden Zellteilungen beeinflussen. Aber auch bei identischen Antigenen hat ein Großteil der T-Zellen keine Telomere aufgenommen; sie blieben kurzlebige Effektorzellen. T-Zellen sollen nach wiederholter Antigenstimulation seneszent werden; stark ausdifferenzierte Effektor-T-Zellen können ihre Telomerase nicht weiter aktivieren; ihre Proliferation lässt nach -> lineare Seneszenz. Alternatives Modell: Die Unfähigkeit, während der Antigenstimulation APC-Telomere zu empfangen, besiegelt schon das Schicksal der T-Zellen -> Seneszenz. Nach Auflösung der Synapse startet die massive Proliferation; jetzt kommt die Telomerase hinzu, die an alle Chromosomen pro Teilung ca. 100-200 bp anhängt. Ein Telomer-Transfer verlängert dagegen bestimmte, vermutlich sehr kurze, Telomere um ca. 3000 bp noch vor den Zellteilungen. Vermutlich ist der Telomer-Transfer das schon länger postulierte Signal, von dem die terminale Differenzierung der T-Zellen abhängt. Unklar bleibt, wonach sich entscheidet, ob eine T-Zelle die Telomere einbauen kann. – Darüber hinaus kann es weitere Wege zur Bildung von Gedächtniszellen geben, etwa eine Dedifferenzierung von Effektorzellen, sodass sie ebenso Stammzell-ähnlich werden wie die Gedächtniszellen mit den APC-Telomeren.

Abb. 8: Versuchsdesign mit Absterben der grippeinfizierten Mäuse ohne injizierte T-Zellen mit verlängerten Telomeren während der Gedächtnis-Phase; in der Effektorphase haben die Tiere eine Infektion noch überlebt. Mäuse mit injizierten T-Zellen mit verlängerten Telomeren überleben auch eine späte Infektion während der Gedächtnis-Phase, weil die T-Zellen so lange leben. Außerdem Illustration der Synapse mit Vesikeltransfer und Telomerfusion.

 

Neutrophile legen Brotkrumenspuren für T-Zellen aus

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Schon lange ist bekannt, dass aktivierte Zellen des Immunsystems mithilfe von Lockstoffen an die Stelle gelotst werden, an der sie benötigt werden – etwa an den Ort einer Infektion, im Fall einer Influenza also zu den virenbefallenen Epithelzellen der Atemwege. Allerdings sind diese Stoffe, Chemokine genannt, löslich; sobald sie in die Gewebsflüssigkeit oder in die Blutbahn ausgeschüttet wurden, werden sie verdünnt oder fortgespült. Daher hat man sich lange gefragt, wie beispielsweise zytotoxische T-Zellen bei einer Grippe so schnell an genau die richtige Stelle gelangen.

Ein Forscherteam um Kihong Lim hat jetzt herausgefunden, dass die Neutrophilen – jene Zellen der angeborenen Anwehr, die als „erste Verteidigungslinie“ gegen eine Influenza besonders früh am Infektionsort eintreffen – bei ihrem geschäftigen Kommen und Gehen eine Art Membran-Schleppe ausbilden, von der sie ständig kleine Membransäckchen abschnüren, die mit dem Chemokin CXCL12 gefüllt sind. Sie legen gewissermaßen Brotkrumenspuren, die umso dichter sind, je näher der Infektionsort ist – einfach aufgrund der Zahl der dort verkehrenden Neutrophilen, ähnlich wie die Duftstraßen der Ameisen in der Nähe des Nests oder einer Nahrungsquelle.

Das Chemokin diffundiert dann langsam aus den Membrankügelchen heraus und steigt den sich nähernden T-Zellen gewissermaßen als Duft in die Nase: Es bindet an deren CXCL12-Rezeptor.

In Mäuse ohne Neutrophile werden die zytotoxischen T-Zellen bei einer Influenza-Infektion zwar aktiviert, aber sie finden die mit den Viren infizierten Zellen in der Luftröhre nur ganz schlecht und bekämpfen die Infektion daher sehr ineffizient.

Literatur: 

Kihong Lim et al.: Neutrophil trails guide influenza-specific CD8+ T cells in the airwaysScience, 4. September 2015, Vol. 349, no. 6252, DOI: 10.1126/science.aaa4352

 

Linksammlung eines Tabmessies

Zum Teil schon seit über einem Monat sind in meinem Broswer alle möglichen Tabs zu Wissenschaftsnachrichten oder Abstracts offen, die ich „irgendwann“ abarbeiten wollte. Da ich das im Moment nicht schaffe, trage ich sie hier zusammen, um die Tabs schließen zu können.

„Überwinterung“ in Beringia: http://www.pasthorizonspr.com/index.php/archives/02/2014/beringia-standstill-hypothesis-gains-support – http://www.sciencedaily.com/releases/2014/02/140227141854.htm# – https://www.sciencemag.org/content/343/6174/979.figures-only

Viren in mittelalterlichem Stuhl: http://aem.asm.org/content/early/2014/02/05/AEM.03242-13.abstract – http://news.sciencemag.org/biology/2014/02/700-year-old-poop-tracks-history-human-gut-microbes

Geografische Variation der Zusammensetzung der Darmflora / des Mikrobioms: http://rsbl.royalsocietypublishing.org/content/10/2/20131037.abstract?cpetoc – http://newscenter.berkeley.edu/2014/02/14/geographic-variation-of-human-gut-microbes-tied-to-obesity/

Geschichte der Pandemien: http://contagions.wordpress.com/2010/12/31/pandemic-influenza-1510-2010/ – europepmc.org/abstract/MED/1724803 – http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/281/1780/20133159.abstract?etoc

Protein M: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/bakterien-parasiten-protein-ueberlistet-immunsystem-a-952059.html – http://www.sciencemag.org/content/343/6171/656

FAQ Humanes Mikrobiom: http://blogs.plos.org/onscienceblogs/2014/01/17/human-microbiome-vitamin-e-alzheimers-tweets-1000-genome/

Histokompatibilitätslocus der Seescheide Botryllus schlosseri: http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0065980#pone-0065980-g004

Herkunft der V(D)J-Rekombinations-aktivierenden (RAG) Gene, Nesseltiere: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1044532309001195 – http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1471490607002062

Phagozytose bei Dictyostelium: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1550-7408.1996.tb02474.x/abstract

Vitamin-A-Mangel schützt gegen Würmer: http://www.the-scientist.com/?articles.view/articleNo/38977/title/Vitamin-Deficit-Can-Boost-Innate-Immunity/

Immunreaktion, die Salmonellen-Infektion fördert: http://www.the-scientist.com//?articles.view/articleNo/39096/title/Immune-Response-Promotes-Infection/

Verlierer im ewigen Wettlauf: Warum Siglecs verloren gehen

Neulich fragte ein Leser meiner alten Blogartikel zu den Sialinsäuren und Siglecs, warum der Mensch vor 2-3 Millionen Jahren das Primaten-Siglec verloren hat, das die Sialinsäure N-Glycolylneuraminsäure (Neu5Gc) erkennt. Auf der Basis eine neuen Artikels von Vered Padler-Karavani et al. (Rapid evolution of binding specificities and expression patterns of inhibitory CD33-related Siglecs in primates, The FASEB Journal, 05.12.2013) möchte ich das so erklären:

Die grundsätzliche Funktion von Siglecs, nämlich die Erkennung von säugetierzelltypischen Sialinsäuren zwecks Blockade überzogener Immunreaktionen, habe ich im vorigen Beitrag dargestellt. Damit diese Blockade gelingt, muss zum einen die körpereigene Zelle (hier eine Darmschleimhautzelle, links) ihre Sialinsäuren vorzeigen (Peace-Zeichen). Zum anderen muss die Immunzelle (rechts) diese Sialinsäuren erkennen und von anderen Sialinsäuren unterscheiden können, die zum Beispiel zu einem Pathogen gehören. Das Siglec ist also ein Rezeptor, der genau zum Signal passt:

Siglec-Evolution_01_Darmzelle_Immunzelle_650Jedes derartige Erkennungssystem ist von zwei Seiten angreifbar. Zum einen können Pathogene die Sialinsäuren der Körperzellen als Anker verwenden, um an die Zellen anzudocken und dann in sie einzudringen. Ein bekanntes Beispiel sind die Influenza-Viren, die mit den Hämagglutininen auf ihren Hüllen an die Sialinsäure N-Acetylneuraminsäure (Neu5Ac) binden. Aber auch Bakterien können mit dem passenden Rezeptor an die Sialinsäuren von Schleimhautzellen o. ä. andocken:

Siglec-Evolution_02_Darmzelle_Pathogen_650Andere Pathogene bedecken sich mit Sialinsäuren, um an die Siglecs der Immunzellen zu binden, in diese einzudringen und sich in ihnen zu vermehren. Sie fälschen gewissermaßen die Peace-Zeichen, um sich als Säugetierzellen zu tarnen (molekulare Mimikry):

Siglec-Evolution_03_Pathogen_Immunzelle_650Die Pathogene und ihre Wirte können auf diese Weise in ein doppeltes evolutionäres Wettrüsten geraten:

Mit Sialinsäuren überzogene Krankheitserreger zwingen die Säugetier-Immunzellen, ihre Siglecs so zu modifizieren, dass sie nicht mehr auf die gefälschten Friedenszeichen hereinfallen. Die Veränderung der Siglecs zieht dann Modifikationen der molekularen Mimikry der Pathogene nach sich, und so weiter (oberer Teufelskreis im nächsten Bild).

Krankheitserreger mit Siglec-artigen Rezeptoren zwingen die Säugetierzellen dagegen, ihre Sialinsäure-Signatur zu verändern, um nicht mehr infiziert zu werden. Diese Signaturänderung wiederum zwingt die Pathogene, ihre Siglec-artigen Rezeptoren zu modifizieren, um weiter an ihre Wirte andocken zu können (unterer Teufelskreis).

Bei all diesen Änderungen darf aber die Passung zwischen der Säugetier-Sialinsäure und dem entsprechenden Immunzellen-Siglec nicht verloren gehen; auch hier üben beide Seiten aufeinander einen Selektionsdruck aus (mittlerer Teufelskreis).

Siglec-Evolution_04_gesamt_mit_Teufelskreisen_650Manchmal lassen sich all diese Selektionsbedingungen für das Säugetier nicht mehr gleichzeitig erfüllen. Das scheint bei unseren Vorfahren vor zwei bis drei Millionen Jahren mit dem Paar Neu5Gc und Siglec-12 geschehen zu sein: Durch wiederholte Angriffe von mehreren Seiten verloren die beiden Gene ihre Funktion. Menschliche Zellen stellen seither kein Neu5Gc her, bauen es aber in ihre Membranen ein, wenn wir es mit der Nahrung aufnehmen. Und unsere Immunzellen erkennen dieses Neu5GC nicht mehr als harmlos, sondern lösen u. U. Immunreaktionen dagegen aus.