Skizzen für Teil III des Autoimmunbuchs; Erläuterungen folgen dort:
Das Pflanzen-Immunsystem verwendet flüchtige Warnstoffe
Skizze für Teil III des Buches (Evolution des Immunsystems):
Pflanzen enthalten keine frei beweglichen Immunzellen, sondern müssen die Abwehr von Pathogenen und Fressfeinden lokal organisieren. Bei einem lokalen Angriff steht zu erwarten, dass als nächstes ein Blatt ganz in der Nähe des bereits befallenen oder angenagten Gewebes angegriffen wird. Botenstoffe, die über die Leitbündel transportiert würden, wären u. U. sehr lange unterwegs und würden zu stark verdünnt. Daher setzen Pflanzen auf flüchtige Warnstoffe, die über den kürzeren Luftweg ans Ziel gelangen und dort prophylaktisch die Abwehr ankurbeln (Priming).
(Weitere Erläuterungen folgen im Buch.)
Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow: neue Risikogenorte identifiziert
Jason D. Cooper et al.: Seven newly identified loci for autoimmune thyroid disease. Hum. Mol. Genet. 2012, doi: 10.1093/hmg/dds357 (Accepted manuscript, Open Access)
Zusammenfassung noch nicht allgemein verständlich aufbereitet
Abstract: Der ImmunoChip ist ein von zwölf Autoimmunforschergruppen und dem Wellcome Trust entwickelter Chip für die schnelle Durchmusterung von DNA-Proben auf 186 mit zwölf Autoimmunerkrankungen assoziierte SNPs (Einzelnukleotidpolymorphismen) und weitere von den Forschergruppen benannte „Kandidaten“ für Genorte, die mit den Erkrankungen assoziiert sein könnten. Hier wurden mit dem Chip 103.875 relativ häufige SNPs (Allelfrequenz mindestens 5 Prozent) aus 2285 Morbus-Basedow-Patienten, 462 Hashimoto-Patienten und 9364 Kontrollpersonen durchgetestet. Dabei wurden sieben neue Risiko-Genorte aufgespürt, von denen fünf auch mit anderen Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Weiterlesen
Immunschwäche durch Autoimmunreaktion
In der vergangenen Woche wurde unter anderem bei Spiegel Online über eine neue Aids-ähnliche Immunschwäche berichtet, die vor allem bei älteren Erwachsenen aus Thailand und Taiwan auftritt und nicht durch HIV-Viren ausgelöst wird, sondern durch Autoantikörper gegen das Zytokin Gamma-Interferon (IFN-γ).
Der Fachartikel ist nicht frei zugänglich, würde mir für mein Buch aber auch nicht weiterhelfen, da die Mechanismen, die zu der Autoimmunreaktion führern, noch völlig unklar sind. Aus dem Abstract geht hervor, dass 88 Prozent der Betroffenen, bei denen – ähnlich wie bei unbehandelten Aids-Patienten – zahlreiche opportunistische Infektionen auftreten, Autoantikörper im Serum haben, die das körpereigene Gamma-Interferon attackieren und ausschalten. Dieser wichtige Botenstoff wird bei bakteriellen Infektionen von Th1-Zellen ausgeschüttet, sobald sie Kontakt mit einer antigenpräsentierenden Zelle hatten (einem Makrophagen, der Bakterien oder Bakterienteile verschlungen hat). Er aktiviert weitere Makrophagen und löst die Herstellung antibakterieller Peptide aus. Durch seinen Ausfall können die Infektionen nicht richtig bekämpft werden.
Aufgrund der ähnlichen Symptome kann die Erkrankung leicht mit Aids oder mit Tuberkulose verwechselt werden. Da sie nicht familiär gehäuft auftritt, ist sie wohl nicht im engeren Sinne erblich. Warum sie aber bisher nur bei Asiaten nachgewiesen wurde, ist unklar. Wenn ich raten sollte: Vielleicht betreibt irgendein ansonsten harmloser Erreger, der vor allem in Asien auftritt, molekulare Mimikry mit Gamma-Interferon als „Vorlage“, sodass unsere gegen den Erreger gerichteten Antikörper bei entsprechender genetischer Prädisposition (z. B. bei bestimmten MHC-Varianten, die vielleicht auf Asiaten beschränkt sind) übers Ziel hinausschießen und auch das ähnlich strukturierte Gamma-Interferon angreifen.
Der Fall zeigt, dass Immunschwäche und Autoimmunerkrankungen, obwohl sie gewissermaßen entgegengesetzte Störungen (Unter- und Überreaktionen) des Immunsystems sind, einander nicht ausschließen: Eine Autoimmunreaktion kann, wenn sie sich ausgerechnet gegen eine andere Komponente des Immunsystems richtet, auch zu einer Immunschwäche führen.
Multiple Sklerose: Zelldegeneration primär, chronische Entzündung und Autoimmunreaktion sekundär?
Ehrlich gesagt habe ich es aufgegeben, bei Multipler Sklerose (MS) den Überblick über die Fachliteratur und die Diskussionen zu ihren Ursachen und Mechanismen zu behalten: Nach meinem Eindruck wird alle paar Wochen eine neue Sau durchs Dorf getrieben, und oft wird mir nicht klar, welche Studienergebnisse nun mit welchen Theorien zusammenpassen und was sich gegenseitig ausschließt. Aber wenigstens diesen Meinungsbeitrag möchte ich vorstellen – wie immer noch nicht allgemeinverständlich zusammengefasst:
Peter K. Stys et al.: Will the real multiple sclerosis please stand up? Nature reviews Neuroscience 13, Juli 2012, 507-514; doi: 10.1038/nrn3275
Die Autoren legen dar, warum MS in ihren Augen eine Kombination aus einer primären neurodegenerativen Erkrankung und einer durch diese ausgelösten (und sie evtl. verstärkenden) Autoimmunreaktion bzw. chronischen Entzündung ist. Die nicht entzündliche primär progrediente Form der MS (PP-MS) ist ihres Erachtens die „eigentliche“ MS, die entzündlichen Formen wie die schubförmig remittierende MS (RR-MS) sind auf sekundäre (wenngleich sehr wichtige) Reaktionen zurückzuführen.
MS gilt ihnen zufolge traditionell als Autoimmunerkrankung, bei der wild gewordene T-Zellen Elemente des zentralen Nervensystems, insbesondere Myelin, angreifen. In der Zerebrospinalflüssigkeit der Patienten ist für gewöhnlich oligoklonales Immunglobulin G nachweisbar, und transiente Läsionen im Magnetresonanzscan weisen auf Entzündungen und Zusammenbrüche der Blut-Hirn-Schranke hin. Biopsien: Perivaskuläre Entzündungsinfiltrate bestehen überwiegend aus T-Zellen und Makrophagen; das Myelin wird abgebaut; die Axone degenerieren. Neuere Belege: nicht nur weiße, auch graue Substanz (Neuronen und Synapsen) betroffen.
Allgemein wird angenommen, dass die Pathophysiologie mit Immundysregulation beginnt, die das ZNS schädigt (Outside-in-Modell). Das passt aber nicht zu allen Befunden. Die Autoren vergleichen MS mit anderen neurodegenerativen Krankheiten, die wie Alzheimer oder Parkinson Stoffwechselursachen haben und nicht mit auffälligen Entzündungsphasen einhergehen. Sie schlagen ein alternatives Inside-out-Modell vor und untersuchen, welche molekularen Strukturen bei MS ohne primäre Beteiligung des Immunsystems gestört sein könnten. Weiterlesen
Menschwerdung durch Habitatwechsel und Pathogenverlust
Und noch eine Skizze für Teil 3 des Buches, diesmal für ein späteres Kapitel:
Wie in der Kurzrezension von Nathan Wolfes Buch „Virus“ erwähnt, verließen unsere Urahnen irgendwann den Urwald, in dem sie einem hohen Konkurrenzdruck durch andere Menschenaffen und einem hohen Pathogendruck ausgesetzt waren: Die verschiedenen Hominiden tauschten oft Viren und Bakterien untereinander aus, und die noch nicht richtig angepassten Pathogene richteten in ihren neuen Wirten verheerende Schäden an. Indem er in die verhältnismäßig karge Savanne auswich, was seine Populationsgröße zwischenzeitlich stark verringerte, konnte unser Urahn sowohl seine Konkurrenten zurücklassen als auch viele seiner Pathogene loswerden. Gerade die Gene des Immunsystems durchliefen während dieser Phase der Evolution große Veränderungen. Gene, die bis dahin der Abwehr bestimmter Erreger gedient hatten, verloren ihre Funktion und wurden eliminiert oder umfunktioniert.
Auch Bakterien haben eine erworbene Immunabwehr – und Autoimmunstörungen
Zwei Skizzen für den dritten Teil des Autoimmunbuchs, in dem ich die Evolution des Immunsystems erläutere. Bis vor wenigen Jahren hielt man die erworbene Immunabwehr für etwas Wirbeltierspezifisches. Inzwischen weiß man, dass auch Bakterien eine erworbene (und darüber hinaus erbliche) Immunabwehr haben: das CRISPR/Cas-System.*
Der entsprechende Abschnitt der Bakterien-DNA beginnt mit einigen Cas-Genen, hier vereinfacht durch zwei Pfeile mit einer Kanone und einer Schere dargestellt. Es folgt eine Erkennungssequenz, die den Anfang des CRISPR-Sektors markiert, hier als Posteingang symbolisiert. Unmittelbar hinter diesem sogenannten CRISPR-Leader werden DNA-Abschnitte aus Bakterienviren (Phagen) oder parasitären Plasmiden eingebaut, die das Bakterium infiziert haben – sogenannte Spacer (1). Sie werden von charakterisitischen, immer gleichen Repeats flankiert, die hier nicht abgebildet sind. Sammelt ein Bakterium zu viele Spacer an, kann es am hinteren Ende (also an der „Mülltonne“) alte Erinnerungen an sehr lang zurückliegende Infektionen entsorgen, damit sein Erbgut nicht zu umfangreich wird (2). Es handelt sich also um einen FIFO-Speicher (first in, first out). Die gesamte Sequenz wird zu einer einzigen Prä-crRNA transkribiert (3), die dann von Cas-Genprodukten in crRNAs zerlegt wird, die jeweils die Erinnerung an ein Infektionsereignis enthalten (4). Befällt derselbe Parasit die Bakterienzelle noch einmal, so lenkt die entsprechende crRNA den Abwehrkomplex (die Kanone) auf ihr spezifisches Ziel, woraufhin die DNA oder RNA des Parasiten auf noch nicht ganz verstandene Weise inaktiviert und abgebaut wird (5). Und was hat das mit Autoimmunerkrankungen zu tun? Weiterlesen
Poster über regulatorische T-Zellen usw.
Kurze Durchsage: Auf der Website des Unternehmens Stemcell Technologies kann man einige interessante Übersichtsposter als PDFs herunterladen oder bestellen, zum Beispiel über Antigenverarbeitung und -präsentation, natürliche Killerzellen und regulatorische T-Zellen.
Parasitismus von Anfang an
Entwurmungen in Entwicklungsländern: weniger erfolgreich als bisher angenommen?
Vor dem Hintergrund des Schutzes vor Autoimmunerkrankungen und Asthma, den verschiedene parasitische Würmer vor allem bei Infektionen während der Kindheit zu vermitteln scheinen, fand ich das ernüchternde Ergebnis dieses Cochrane-Reviews interessant:
David C. Taylor-Robinson et al.: Deworming drugs for soil-transmitted intestinal worms in children: effects on nutritional indicators, haemoglobin and school performance. The Cochrane Library, 11. Juli 2012, DOI: 10.1002/14651858.CD000371.pub4
(Berichte/Kommentare dazu hier und hier)
Übersetzung der allgemeinverständlichen Zusammenfassung:
„Die wichtigsten über Böden übertragenen Würmer sind Fadenwürmer, Hakenwürmer und Peitschenwürmer. In den Tropen und Subtropen sind sie vor allem in Kindern aus armen Gegenden mit schlechter/fehlender Kanalisation, hoher Bevölkerungsdichte, schlechter Bildung und schlechtem Zugang zum Gesundheitswesen weit verbreitet. Die Infektionen verursachen bei Kindern manchmal Unterernährung, Wachstumsstörungen und Anämie, und einige Experten glauben, sie würden auch die schulische Leistung beeinträchtigen. Neben Verbesserungen der Kanalisation und der Hygiene werden auch Medikamente gegen Würmer eingesetzt.
Ein Ansatz besteht darin, nur diejenigen Individuen zu behandeln, die sich bei Massentests als infiziert erwiesen haben. Indizien deuten darauf hin, dass dies das Gewicht und evtl. auch die Hämoglobinwerte verbessert, aber die Belegbasis ist klein. Bei einem anderen, derzeit von der WHO empfohlenen und viel besser untersuchten Ansatz werden alle Schulkinder mit Wurmmitteln behandelt.
Nach Untersuchungen nach einer einzelnen Wurmmittelgabe oder nach mehreren Dosen bleibt ungewiss, ob solche Programme Ernährungsindikatoren wie Gewicht oder Körpergröße, die kognitiven Fähigkeiten, die Unterrichtsteilnahme oder die schulischen Leistungen positiv beeinflussen. Es sieht so aus, als hätten sie keine Auswirkung auf den Hämoglobingehalt des Blutes. Einer Untersuchung an einer Million Schulkindern, bei der Todesfälle untersucht wurden, wurde bereits 2005 abgeschlossen, aber die Forscher haben ihre Ergebnisse noch nicht veröffentlicht.“