NZZ über Ernährung und Immunsystem

Ulrike Gebhardt gibt in der NZZ Online eine gute Übersicht über den aktuellen Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Nahrung, Darmflora und Immunabwehr: Die Körperabwehr ist, was der Mensch isst. So berichtet sie von einer Studie von Gerhard Rogler am Universitätsspital Zürich, der Patienten mit der chronisch-entzündlichen Darmkrankheit Colitis ulcerosa getrocknete Heidelbeeren zu essen gibt, die sich im Tierversuch als entzündungshemmend erweisen haben.

Für Nichtschweizer: Eine Rande ist eine rote Rübe. Etwas verwirrend finde ich diese Passage:

Das beobachtete der Arzt J. F. Menkel schon vor gut 200 Jahren bei unterernährten Personen in England: Ihr Thymus, ein wichtiges Immunorgan hinter dem Brustbein, in dem «T-Zellen» ausgebildet werden, war deutlich geschrumpft.

Tatsächlich ist der Thymus aller erwachsenen Menschen „deutlich geschrumpft“: Dieses Organ, in dem sich unsere T-Lymphozyten entwickeln, stellt mit dem Eintritt der Geschlechtsreife seine Arbeit ein und bildet sich zurück. Vermutlich hat Menkel Kinder untersucht.

FAZ berichtet vom Rheumatologen-Kongress

Christina Hucklenbroich hat am 12. September bei FAZ.NET vom Rheumatogogen-Kongress in München berichtet. Den Vorträgen zufolge ist mittlerweile bei vielen Patienten eine vollständige Remission erreichbar, vor allem durch Kombinationstherapien — vorausgesetzt, sie erhalten rechtzeitig die richtige Diagnose und finden einen Rheumatologen, der sie richtig behandelt.

Rheumatologen, die neben rheumatoider Arthritis auch weitere Autoimmunerkrankungen wie Morbus Bechterew und Lupus erythematodes behandeln, sind in Deutschland allerdings Mangelware, sodass zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Beginn der Therapie im Durchschnitt 13 Monate vergehen.

miRNA aus pflanzlicher Nahrung reguliert Proteinsynthese in Säugern

In Zusammenhang mit der Hypothese, dass Umweltveränderungen in der industriellen und globalisierten Welt hinter der Zunahme vieler Autoimmunerkrankungen stecken, stellt sich die Frage nach den Mechanismen, über die Substanzen in der Umwelt auf unser Immunsystem einwirken könnten. Epigenetische Effekte wie Histonmodifikationen oder DNA-Methylierung dürften dabei eine große Rolle spielen. Ein weiterer Weg rückt allmählich ins Rampenlicht: miRNA.

Diese aus höchstens 22 Nukleotiden bestehenden Ribonukleinsäuren regulieren die Synthese zahlreicher Proteine in Pflanzen und Tieren, indem sie an deren von der DNA abgelesene „Bauanleitungen“, die Messenger-RNA, binden und sie damit für die proteinherstellenden Ribosomen unlesbar machen.

Wie spektrumdirekt berichtet, haben chinesische Wissenschaftler um Junfeng Zhang von der Nanjing-Universität nun nachgewiesen, dass miRNA aus Reis in Mäusen und vermutlich auch in Menschen den Cholesterinstoffwechsel beeinflusst — nicht nur über eine Artgrenze, sondern sogar über die Grenze zwischen Pflanzen- und Tierreich hinweg.

Bislang reine Spektulation (und zwar meine, nicht die der Forscher oder der spektrumdirekt-Autoren): Könnte miRNA aus unserer Nahrung auch das Immunsystem beeinflussen und dort womöglich — direkt oder indirekt — Kontrollmechanismen schwächen, die Immunreaktionen gegen körpereigene oder fremde, aber harmlose Antigene normalerweise hemmen?

Spektrum-Artikel über Xenohormone

Gut erholt aus dem Toskana-Urlaub zurückgekehrt, versuche ich gerade die Wissenschafts-Newsletter der letzten drei Wochen zu sichten. Dabei stieß ich auf den Hinweis, dass ein interessanter Artikel aus dem September-Heft von Spektrum der Wissenschaft derzeit kostenlos als PDF zur Verfügung steht:

Marie Tohmé, Jean Pierre Cravedi und Vincent Laudet: Störenfriede im Hormonhaushalt

Die Autoren gehen zwar nicht auf das Immunsystem oder gar auf Autoimmunerkrankungen ein, aber da Xenoestrogene usw. in der Fachliteratur gelegentlich als mögliche Ursachen für die Zunahme der Autoimmunerkrankungen in den letzten Jahrzehnten genannt werden, nehme ich den Artikel dennoch in meine Liste mit Hintergrund-Informationen auf.

Sendepause bis 18. September

Arezzo. Foto: User Burgkirsch on de.wikipedia

Liebe Leserinnen und Leser,

nicht, dass es nichts zu berichten gäbe – im Gegenteil: Ich habe in den letzten Tagen sehr viel hochspannende Fachliteratur zum Thema Koevolution von Würmern und Wirbeltier-Immunsystem gelesen, die ich demnächst hier vorstellen werde.

Ich hatte ein Aha-Erlebnis nach dem anderen und sprühe vor Visualisierungsideen für das Autoimmunbuch. Aber jetzt ist erst einmal Urlaub angesagt. Trotz Sabbatical habe ich das Gefühl, ihn selten so nötig gehabt zu haben.

Bis bald!

Ideenwettbewerb zur Erleichterung des Alltags von MS-Patienten verlängert

Kürzlich habe ich in einem kleinen Artikel über medizinisches Crowdsourcing auf einen von Merck Sereno finanzierten offenen Ideenwettbewerb hingewiesen, in dem es um neue Geräte oder Online-Anwendungen geht, die Betroffenen helfen könnten, die täglichen Herausforderungen eines Lebens mit MS besser zu bewältigen.

Der Wettbewerb RealMS wurde verlängert; noch bis zum 7. September können Innovationsvorschläge eingereicht und bewertet werden.

Fachchinesisch

DNA zum Anfassen (und Aufessen)

Den berechtigten Hinweis eines Untersützers, dass viele der hier veröffentlichten Texte für die meisten Menschen sehr schwer verständlich seien, und die leicht besorgte Frage, ob das Buch, das ich schreibe, auch so werde, nehme ich heute zum Anlass, einmal zu erklären, wozu diese Texte dienen und warum ich sie in dieser Form veröffentliche.    Weiterlesen

Ernährung und Autoimmunerkrankungen, Teil 2

Flavoinoide, z. B. aus Äpfeln, sollen entzündungsfördernde Zytokine hemmen.

Achtung: Bitte lesen Sie diesen Text nicht als Empfehlung für oder gegen bestimmte Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel. Ich fasse hier lediglich Literatur zusammen. Was die Autoren schreiben, muss nicht stimmen und kann z. B. durch neuere, gründlichere Studien überholt sein!

Einige der Ernährungsempfehlungen aus Donna J. Nakazawas Sachbuch „The Autoimmune Epidemic“, die ich hier notiert habe, werden durch die aktuelle Fachliteratur in Frage gestellt – andere aber bekräftigt. Eine knappe Übersicht findet sich hier:

Carlo Selmi, Koichi Tsuneyama, Nutrition, geoepidemiology, and autoimmunity

Autoimmune Reviews 9 (2010), Sn. A267-A270, doi:10.1016/j.autrev.2009.12.001

In den letzten Jahren häufen sich die Indizien, dass bestimmte Mikronährstoffe (unter anderem Vitamin D, Vitamin A, Selen, Zink, Omega-3-Fettsäuren, Probiotika und Flavonoide) eine wichtige Rolle in der Immunantwort bei Infektionen, Allergien und Autoimmunerkrankungen spielen.   Weiterlesen