Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 7

Fortsetzung meiner Exzerpte von Kap. 5 und Kap. 6, ebenfalls noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet

7. Machen endogene Retroviren uns krank?

Mutationen können in Wirbeltiergenen neue Stopcodons erzeugen, also jene Drei-Basen-Signale, die der Transkriptionsmaschinierie im Zellkern das Ende eines Gens anzeigen. Ein Stopcodon mitten in einem Gen sorgt dafür, dass die Messener-RNA zu kurz gerät und normalerweise nicht als Bauanleitung für ein funktionsfähiges Protein dienen kann.

Dasselbe kann auch in den Gensequenzen endogener Retroviren geschehen, aber diese können durch Rekombination mit dem Erbgut weiterer endogener oder exogener Viren repariert und somit „wiederbelebt“ werden. (Rekombination ist auch für die Häufigkeit und Heftigkeit von Grippe-Epidemien verantwortlich: Das „Schweinegrippe“-Virus beispielsweise ist ein Patchwork aus Menschen-, Schweine- und Vogelviren aus Nordamerika, Europa und Asien.) Zudem kann eine durch ein Stopcodon verkürzte virale Sequenz im holobiontischen Genom einfach eine neue Funktion übernehmen.   Weiterlesen

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 6

Einführende Bemerkungen zum Buch und Notizen zu Kapitel 5 gibt es hier. Es folgen meine noch nicht allgemeinverständlich aufbereiteten Notizen zum nächsten Kapitel:

6. Viren als Geburtshelfer der Evolution

Ein endogenes Retrovirus kann nur gemeinsam mit den Nachfahren der Überlebenden der ersten Seuche überleben. Beide gehen eine dauerhafte Symbiose ein; selektiert wird von nun an auf der Ebene der Partnerschaft.

Aus dieser Perspektive ist die derzeitige Aids-Pandemie die erste Stufe einer solchen neuen Dynamik, während die Koala-Leukämie-Epidemie bereits etwa 100 Jahre länger wütet und schon die nächste Stufe der aggressiven Symbiose erreicht hat: Die meisten Individuen sind infiziert, der Genotyp, der nicht mit dem Virus leben kann, ist weitgehend ausgerottet, und die Endogenisierung schreitet rasch voran.

Wohl kein anderes Genom ist so stark mit Retroviren kontaminiert wie das menschliche. Wir sind gewissermaßen holobiontische Verbünde aus Wirbeltier- und Virenelementen. Virale Gene und Steuerungssequenzen, die für diese Symbiose nützlich sind, sollten von der Selektion stark konserviert worden sein.   Weiterlesen

Who is Who in der Welt der Enzyme

Sieht man sich einfache Visualisierungen epigenetischer Vorgänge an, beispielsweise den Film The Epigenome at a Glance, den ich kürzlich empfohlen habe, so gewinnt man den Eindruck, dass epigenetische Marker frei in unseren Zellkernen herumschwirren und irgendwie selbsttätig an die DNA oder die Histone andocken oder sich wieder lösen würden. Tatsächlich erledigen das allerlei Enzyme, beispielsweise Acetylasen oder Demethylasen.

Enzyme – also Proteine, die biochemische Reaktionen katalysieren – spielen bei den Vorgängen im gesunden wie im entgleisten Immunsystem eine überragende Rolle, und ich mache mir Gedanken, wie sich ihre Beiträge veranschaulichen lassen. Schön wäre eine Art „Who is Who“ der Enzymwelt, in dem man während der Lektüre des Buches immer wieder nachschlagen kann, wenn man den Überblick verloren hat. Also fange ich hier eine Liste mit Enzymen an, die mir in der immunologischen Fachliteratur begegnen – to be continued. Später werde ich ihre Funktion stichwortartig erläutern und bildlich darzustellen versuchen. Vielleicht im Comicstil – oder wieder mit Fruchtgummi-Modellen? 🙂   Weiterlesen

Frank Ryan: Virolution – Die Macht der Viren in der Evolution, Kap. 5

Dieses Buch habe ich Ende 2009/Anfang 2010 für Spektrum Akademischer Verlag aus dem Englischen übersetzt. Es hat in meinen Augen große Schwächen, die kürzlich in einer Rezension für die Zeitschrift GEHIRN&GEIST von der Biochemikerin Christiane Jost gut auf den Punkt gebracht wurden.

Dennoch bin ich dem Autor irgendwie zu Dank verpflichtet, denn wenn ich nicht just Anfang 2010, als die ersten verwirrenden und scheinbar unzusammenhängenden Symptome meiner Hashimoto-Thyreoiditis auftraten, das Kapitel über die Autoimmunkrankheiten übersetzt hätte, wäre ich sicher nicht so schnell darauf gekommen, was mit mir nicht stimmte: Wahrscheinlich hätte ich heute noch nicht die richtige Diagnose.  Eine Mischung aus Glück und Verstand – und biologischem Vorwissen.

Bald kam mir der Gedanke, dass das hochinteressante Thema „humane endogene Retroviren und Autoimmunerkrankungen“, das Ryan in seinem überfrachteten Buch unter anderem anreißt, eigentlich ein eigenes, besser illustriertes, umfassender recherchiertes und klarer strukturiertes Buch verdient. Das war die Initialzündung zu „Friendly Fire“.   Weiterlesen

Epigenetik für Einsteiger

The Scientist hat kürzlich eine schöne Infografik veröffentlicht, in der die wichtigsten Grundlagen der Epigenetik erklärt werden: Epigenetics – A Primer.

Das Genetic Science Learning Center der Universität von Utah hat einen anschaulichen, knapp zwei Minuten kurzen Animationsfilm gedreht: The Epigenome at a Glance.

Großartig finde ich auch diesen knapp fünf Minuten langen Film aus demselben YouTube-Kanal, in dem mit einfachen, selbstgebastelten Modellen erläutert wird, warum eineiige Zwillinge einander im Lauf der Jahre immer weniger ähneln: The Epigenetics of Identical Twins.

The Epigenetics of Autoimmune Diseases, Kap. 8: Stress und Schilddrüsen-Autoimmunität

Notizen zum 8. Kapitel des Buches von Moncef Zouali (Hg.), Autor: Agathocles Tsatsoulis; noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Einführung

Schilddrüsen-Autoimmunkrankheiten wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow stellen sich ein, wenn das Immunsystem seine Toleranz gegen Selbst-Antigene in der Schilddrüse einbüßt. Ob es zu Morbus Basedow und damit zu einer Überfunktion (Hyperthyreose) kommt oder zu Hashimoto-Thyreoiditis und damit langfristig zu einer Unterfunktion (Hypothyreose), wird wohl nicht nur durch genetische Faktoren beeinflusst, sondern auch durch epigenetische Effekte, die wiederum von Umweltfaktoren wie Stress verändert werden können.

Stress wirkt über neuroendokrine Signale (Hormone) auf das Immunsystem. Während einer Stressreaktion werden die Hypothalamus-Hypophysen-Achse und das sympathische Nervensystem aktiviert, was zu Erhöhungen der Glucocorticoid- und Katecholamin-Konzentrationen führt. Beide Systeme sollen den Stressoren entgegenwirken und die Homöostase erhalten.

Lange glaubte man, Stresshormone – vor allem Glucocorticoide – würden allgemein immunsuppressiv wirken, doch Stress wirkt unterschiedlich aufs Immunsystem.   Weiterlesen

Es geht los! Meine Crowdfunding-Kampagne auf mySherpas

Jetzt kommt es drauf an: Wenn es mir gelingt, in den nächsten 90 Tagen 6000 Euro zu sammeln, kann ich mein Buch mit professionellen Grafiken ausstatten, Fachliteratur kaufen, zu Veranstaltungen und Forschern reisen …

Bitte schaut bei mySherpas vorbei, registriert euch und unterstützt mein Projekt – finanziell und/oder durch Weitersagen. Danke!

The Epigenetics of Autoimmune Diseases, Kap. 1: Transkriptionsregulierung der T-Zell-Toleranz

Notizen zum 1. Kapitel des Buches von Moncef Zouali (Hg.), Autoren: Brian T. Abe et al.; noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Einführung

Im Körper entstehen gelegentlich Lymphozyten (T-Zellen, B-Zellen und natürliche Killerzellen; Untergruppe der Leukozyten), die auf körpereigenes Gewebe reagieren. Diese Selbstreaktivität kann zu Autoimmunkrankheiten führen. Ihre Eindämmung erfolgt auf zwei Ebenen: zentrale und periphere Toleranz. Sowohl selbstreaktive B-Zellen als auch selbstreaktive T-Zellen können eliminiert oder tolerant gemacht werden. Schwerpunkt dieses Kapitels sind die T-Zellen.   Weiterlesen

Medizinische Fachliteratur hinter verschlossenen Türen

In der Auswertung des Buches von Ganten, Spahl und Deichmann schrieb ich gestern, dass ich mir aus dem Fußnotenteil des Buches einige Fachartikel zu immunbiologischen und verwandten Themen notiert habe, die ich demnächst auswerten möchte. Gerade habe ich mir einen Überblick über die Zugänglichkeit dieser Aufsätze verschafft:   Weiterlesen