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Abb. 225: Nächtliche Melatoninproduktion

Die Melatoninproduktion in der Zirbeldrüse erreicht mitten in der Nacht ihr Maximum und wird vor dem Erwachen stark heruntergefahren. Die senkrechten Linien markieren Beginn und Ende des Nachtschlafs.

(Diese und folgende Abbildungen: nach Lange und Born, 2011.)

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 224: Melatonin, Kortisol und Adrenalin

Diese Hormone (Melatonin aus der Zirbeldrüse, Kortisol und Adrenalin aus der Nebennierenrinde) aktivieren Immunzellen und teilen ihnen mit, wann sie sich wohin begeben sollen. Melatonin wird zur Milderung von Jetlag eingesetzt. Das entzündungshemmende
Kortisol wird bei vielen Autoimmunerkrankungen verschrieben. Das »Stresshormon« Adrenalin wird unter anderem als Notfallmedikament bei einem Herzstillstand injiziert.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Abb. 221: Die innere Uhr und das Immunsystem

Unsere zentrale Uhr im suprachiasmatischen Nucleus oder SCN, einem Teil des Hypothalamus im Gehirn, schwingt mit einer Periode von ungefähr im 24 Stunden. Dieser circadiane Rhythmus wird regelmäßig durch das Tageslicht nachjustiert, damit die Uhr nicht vor- oder nachgeht. Der SCN beeinflusst das Immunsystem auf drei Wegen: über die Zirbeldrüse, die zu bestimmten Tageszeiten das Hormon Melatonin ausschüttet, über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, die zu einer im Tagesverlauf schwankenden Kortisolausschüttung führt, und über das autonome Nervensystem, das Signale an die Zirbeldrüse und die Nebennierenrinde, aber auch direkt an Lymphorgane wie Milz und Leber sendet. Das Immunsystem wiederum wirkt auf unsere Uhr und damit auf unser Schlafbedürfnis zurück: durch die Ausschüttung von Zytokinen, die im SCN die Ablesung der Uhr-Gene beeinflussen.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Knut und der ganze Rest: Urlaubsnachlese

Knut hat es postum noch ein vermutlich letztes Mal geschafft, das Sommerloch zu füllen: Während meines Urlaubs ging die Nachricht um, dass der Eisbär an einer Autoimmunerkrankung zugrunde gegangen ist, nämlich an einer Anti-NMDA-Rezeptor-Encephalitis. Hier der entsprechende Forschungsartikel von H. Prüss et al.: Anti-NMDA Receptor Encephalitis in the Polar Bear (Ursus maritimus) Knut.

Weitere Immunsystem-Meldungen und -Fachartikel der letzten Wochen; über einige davon werde ich demnächst noch bloggen:

Mikrobiom

Antibiotics and the Gut Microbiome
Antibiotics given to infant mice may have long-term effects on the animals’ metabolism and gut microbiota.

The Sum of Our Parts
Putting the microbiome front and center in health care, in preventive strategies, and in health-risk assessments could stem the epidemic of noncommunicable diseases.

How Fats Influence the Microbiome
Mice fed a diet high in saturated fat show shifts in their gut microbes and develop obesity-related inflammation.

Skin Microbes Help Clear Infection
In a small study, researchers find a link between an individual’s skin microbiome and the ability to clear a bacterial infection.
Die Studie (Open Access): The Human Skin Microbiome Associates with the Outcome of and Is Influenced by Bacterial Infection

Genetics, Immunity, and the Microbiome
The makeup of an individual’s microbiome correlates with genetic variation in immunity-related pathways, a study shows.
Die Studie (Open Access): Host genetic variation impacts microbiome composition across human body sites

Thymus

Nur 160 Plätze für T-Vorläuferzellen im Thymus frei
Abstract (Rest hinter Paywall): Multicongenic fate mapping quantification of dynamics of thymus colonization.

Lymphgewebe

Rethinking Lymphatic Development
Four studies identify alternative origins for cells of the developing lymphatic system, challenging the long-standing view that they all come from veins.

Brain Drain
The brain contains lymphatic vessels similar to those found elsewhere in the body, a mouse study shows.

Krebs und Autoimmunität

Body, Heal Thyself
Reviving a decades-old hypothesis of autoimmunity
Review (Open Access): Cancer-Induced Autoimmunity in the Rheumatic Diseases

Autoimmun-Uveitis

Bacteria to Blame?
T cells activated in the microbe-dense gut can spark an autoimmune eye disease, a study shows.

Multiple Sklerose

Melatonin for MS?
Improvements in multiple sclerosis symptoms correlate with higher levels of the sleep hormone, a study finds.

Taufliegen: Erhöhung der genetischen Vielfalt zur Pathogenabwehr

Fending Off Infection in Future Generations
Female fruit flies challenged with infection during their lifetimes have offspring with greater genetic diversity.

Plazenta

The Prescient Placenta
The maternal-fetal interface plays important roles in the health of both mother and baby, even after birth.

Asthma

Wie Bauernhöfe vor Asthma schützen
Spezifisches Protein senkt Überreaktionen des Immunsystems ab

Selbstmedikation von Affen bei Peitschenwurm-Infektionen

Sickness behaviour associated with non-lethal infections in wild primates (Abstract)

Wie erfährt Immunsystem, wie spät es ist?

Auf drei Wegen: über das Hormon Melatonin aus der Zirbeldrüse, über das Hormon Cortisol aus der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und über das autonome Nervensystem, das Signale an die endokrinen Drüsen und an Lymphorgane wie Milz und Leber übermittelt:

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Alle drei Instanzen beziehen die zentrale Uhrzeit vom suprachiasmatischen Nucleus (SCN), einem Teil des Hypothalamus. Der circadiane Rhythmus im SCN wird regelmäßig durch Tageslicht nachjustiert, damit die zentrale Uhr nicht vor- oder nachgeht.

Auch das Immunsystem kann die zentrale Uhr verstellen, zum Beispiel, wenn der Körper bei einer Infektion Ruhe braucht. Dann senden die Immunzellen Zytokine aus, Botenstoffe, die im SCN die Ablesung der Uhr-Gene beeinflussen.

(Abbildungsvorlage aus Mavroudis PD et al., Systems biology of circadian-immune interactions. J Innate Immun 2013; 5:153-162)

Schichtarbeit: Der Tag-Nacht-Rhythmus von Immunreaktionen

Neulich las ich, dass selbst schwaches Nachtlicht eine Brustkrebstherapie u. U. wirkungslos machen kann, weil das Licht die nächtliche Melatoninproduktion stört, was wiederum die Tumorzellen stärkt. Beim Nachrecherchieren führte eins zum anderen, und zack: Schon muss das Autoimmunbuch um ein Kapitel erweitert werden. Wie die sogenannte circadiane Rhythmik – das Schwingen aller möglicher Abläufe in unserem Körper mit einer Periode von etwa 24 Stunden – und der nächtliche Schlaf unser Immunsystem regeln, ist nämlich hochspannend und auch für Autoimmunerkrankungen relevant.

Von dem Dutzend Arbeiten, die ich zum Thema gelesen habe, empfehle ich vor allem die Übersicht „T Cell and Antigen Presenting Cell Activity During Sleep“ von Tanja Lange und Jan Born (2011), auf der die meisten der folgenden Abbildungen basieren.

Wie stellt das Immunsystem sicher, dass sich entzündungsfördernde und entzündungshemmende Signale, die angeborene und die erworbene Abwehr sowie der Th1- und der Th2-Arm der erworbenen Abwehr nicht ins Gehege kommen? Durch räumliche und zeitliche Trennung: Der Tag gehört den entzündungshemmenden Signalen, der angeborenen Abwehr und denjenigen Zellen der erworbenen Abwehr, die Pathogene unmittelbar bekämpfen: den zytotoxischen T-Zellen. Und in der Nacht – vor allem, wenn man schläft und nicht durchwacht – dominieren Entzündungsreaktionen, die uns tags bei lebensnotwendigen Aktivitäten stören würden. Außerdem wird nachts durch die Kontakte zwischen antigenpräsentierenden Zellen und T-Helferzellen das immunologische Gedächtnis angelegt.

Hormone aus der Zirbeldrüse und der Hypophyse im Gehirn sowie aus der Nebennierenrinde, deren Ausschüttung von der zentralen inneren Uhr im Hypothalamus gesteuert wird, sorgen dafür, dass die richtigen Zellpopulationen zu jeder Zeit am richtigen Ort sind – also im Blut, im Lymphsystem, im peripheren Gewebe oder im Knochenmark. Die zentrale innere Uhr basiert auf einer Handvoll Gene, deren Ableseprodukte (die Proteine PER, CRY, REV-ERB, ROR, CLOCK und BMAL) wechselseitig ihre eigene Ablesung ein- und ausschalten. Ohne äußere Impulse oszilliert diese Rückkopplung mit einer Periode von etwas mehr als 24 Stunden. Durch Tageslichtsignale – von Nervenzellen in der Netzhaut an den Hypothalamus übermittelt – wird sie auf genau 24 Stunden eingestellt.

Die zentrale Uhrzeit wird vor allem durch das Zirbeldrüsen-Hormon Melatonin an die Zellen im gesamten Körper übermittelt. Die Melatoninkonzentration ist mitten in der Nacht am höchsten, fällt noch in der Nacht steil ab und bleibt tags sehr niedrig, bis sie abends wieder anzusteigen beginnt:

TagNacht_Melatonin_beschriftet_Quelle_Netz_650In dieser und den folgenden Abbildungen ist die Konzentration im Blut während etwas mehr als 24 Stunden dargestellt, beginnend mit dem Abend eines Tages bis zum Abend des nächsten Tages.  Die beiden senkrechten Linien markieren die Nacht, in der man idealerweise zwischen 23 und 7 Uhr schläft. In der ersten Nachthälfte gerät man in den Tiefschlaf, hier wegen der englischen Bezeichnung slow-wave sleep als SWS bezeichnet. Diese Schlafphase ist für die Regelung des Immunsystems entscheidend.

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Nächtliche „Lichtverschmutzung“ schwächt Immunabwehr von Hamstern

Tracy A. Bedrosian et al.: Chronic exposure to dim light at night suppresses immune responses in Siberian hamsters. Biol. Lett. 23 June 2011 vol. 7 no. 3 468-471. doi: 10.1098/rsbl.2010.1108

Nächtliches Kunstlicht („Lichtverschmutzung“) verändert bei einigen Tieren den Zeitpunkt der Fortpflanzung und ihre Aktivitätsmuster, was die Überlebenschancen verringern kann. Es unterdrückt auch Immunreaktionen, was ebenfalls das Überleben beeinträchtigt. Die Autoren haben Dsungarische Zwerghamster (Phodopus sungorus), deren Vorfahren in ihrer Heimat keinen Lichtsmog kannten, vier Wochen lang nachts Dämmerlicht von 5 lux ausgesetzt; das ist fünfmal so hell wie Vollmond, entspricht etwa der realen urbanen Lichtverschmutzung und reicht aus, um die Melatonin-Ausschüttung bei Hamstern zu stören. (Melatonin ist das Hormon, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert.)   Weiterlesen