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Abb. 197: Was ist eine Entzündung?

Medizinstudenten lernen im Studium die fünf klassischen Entzündungszeichen auswendig: rubor, tumor, calor, dolor und functio laesa, also Rötung, Schwellung, Erwärmung, Schmerz und Funktionsbeeinträchtigung . Der Schmerz ist eine Folge der örtlichen Reizung der Nerven und führt zu genesungsförderlichen Verhaltensweisen wie der Schonung des betroffenen Körperteils, solange dessen Funktion beeinträchtigt ist. Die Rötung rührt von einer starken Durchblutung her, die den raschen Transport von Immunzellen an ihren Einsatzort gewährleistet. Die Schwellung geht auf eine örtlich erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwände zurück, die den Immunzellen das Eindringen ins Gewebe erleichtert. Ausgelöst wird sie durch die Ausschüttung von Histamin, Serotonin und anderen sogenannten Gefäßmediatoren.

Die an den Entzündungsherd vorgedrungenen Immunzellen übernehmen unterschiedliche Aufgaben: B-Zellen werden zu Plasmazellen und schütten spezifische Antikörper aus, die die Antigene bedecken und so unter anderem die Komplementreaktion auslösen. Granulozyten schütten den Inhalt ihrer Granula aus, bringen so Keime oder beschädigte Zellen zum Absterben, schädigen aber auch das umliegende Gewebe. Phagozyten wie die Makrophagen vertilgen Keime und abgestorbene Zellen, und so weiter. Durch die Granula-Ausschüttung und den Zerfall beschädigter Zellen ist entzündetes Gewebe sauer: Der pH-Wert sinkt von etwa 7,5 in gesundem Gewebe auf etwa 5,5 oder noch stärker ab.

Die Erwärmung zeugt von starker Stoffwechseltätigkeit und wird, wenn sie das ganze System erfasst, als Fieber bezeichnet. Die Übertemperatur ist offenbar nicht nur eine unvermeidliche Nebenwirkung der Entzündungsprozesse, sondern stärkt die Widerstandskraft gegen Infektionen. Biochemische Reaktionen laufen – bis zu einer Obergrenze, an der Enzyme und andere Proteine zerfallen – umso schneller ab, je wärmer es ist. Das gilt auch für die Produktion von Antikörpern und antimikrobiellen Substanzen.

Zu Beginn verstärkt sich eine Entzündungsreaktion selbst. Zum Beispiel schütten Mastzellen, die an antikörperbedeckte Antigene binden, aus ihren Granula Histamin aus, das die Gefäßwände durchlässiger macht, sodass noch mehr B-Zellen, Antikörper und Mastzellen an den Ort des Geschehens kommen. Eine Entzündung ist aber ein Ausnahmezustand. Wird sie chronisch, so schädigt sie das Gewebe und das Gesamtsystem. Das ist beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen der Fall. Normalerweise setzt recht bald eine Gegensteuerung ein, zum Beispiel durch den Abtransport der Keime und beschädigten Zellen und durch die beruhigende Wirkung regulatorischer T- und B-Zellen auf andere Lymphozyten. Nach Beseitigung der akuten Gefahr wird das umliegende Gewebe zur Regeneration angeregt, zum Beispiel zur Wundschließung durch verstärkte Zellteilung.

Sie dürfen diese Zeichnung gerne in Folien etc. übernehmen, sofern Sie die Quelle angeben: Dr. Andrea Kamphuis, https://autoimmunbuch.de

Komplementsystem und Opsonierung

Skizze fürs Buch – ein bisschen Splatter muss sein: Das Komplementsystem bohrt regelrechte Brunnenlöcher in Bakterien und bringt diese durch eindringendes Wasser zum Platzen.

Das Protein C1 bindet an Antikörper, die wiederum an Antigene auf den Pathogenen binden, und löst Reaktionskaskaden aus. In deren Verlauf werden nicht nur die „Brunnenlöcher“ (Membranangriffskomplexe aus C9) gebohrt, sondern auch die kleinen Arterien weitgestellt (schnellerer Transport von Immunzellen zum Ort der Infektion), Histamin aus Mastzellen ausgeschüttet (Botenstoff in der Entzündungsreaktion) sowie Phagozyten (Fresszellen) durch Chemotaxis angelockt und durch die Opsonierung der Pathogene zu deren Verzehr angeregt. Das Komplementsystem gehört zur angeborenen Immunabwehr und wird von vielen Bakterien und Viren durch molekulare Mimikry und Blockaden ausgehebelt.

Dickdarmbakterien regulieren über kurzkettige Fettsäuren unser Immunsystem

J. K. Nicholson etl al: Host-Gut Microbiota Metabolic Interactions. Science 336, 08.06.2012, 1262-1267: Firmicutes wie Eubacterium, Roseburia, Faecalibacterium und Coprococcus zerlegen für den menschlichen Organismus unverdauliche Ballaststoffe wie Hemizellulosen im Dickdarm in kurzkettige Fettsäuren wie Buttersäure, Essigsäure oder Proprionsäure. Diese senken den pH-Wert im Dickdarm, hemmen durch die Ansäuerung das Wachstum von Pathogenen wie Salmonellen, stimulieren die Wasser- und Natriumabsorption, beteiligen sich an der Cholesterinsynthese, versorgen die Darmepithelzellen und einige Darmbakterien mit Energie und stimulieren die Leptinproduktion in Adipozyten (zumindest in Zellkulturen und Mäusen).   Weiterlesen

Die Lebensräume der „bad guys“

Welche Maßnahmen das Immunsystem gegen einen Krankheitserreger ergreift, hängt auch von seinem Aufenthaltsort ab: Antikörper können Antigene zum Beispiel nur außerhalb von Zellen erkennen, zur Vernichtung markieren oder außer Gefecht setzen. Auch die Zellen der Immunabwehr können nur in den Zellzwischenräumen und in der Blutbahn patrouillieren und weder auf unsere Oberhaut noch in andere Zellen wandern. Befallene Körperzellen machen sich aber durch Oberflächenmarker bemerkbar und werden dann z. B. von Phagozyten vertilgt.

Oben links: Viele Bakterien leben auf unserer Haut. Die meisten sind gutartig, ja, sie verteidigen uns sogar gegen Krankheitserreger, indem sie ihnen den Platz wegnehmen oder chemische Substanzen ausscheiden, die den Erregern schaden oder unseren Körper frühzeitig vor einem Angriff warnen. Gelegentlich mischen sich jedoch Schurken unter unsere Hautflora.

Oben rechts: Im Darmlumen tummeln sich ebenfalls zahlreiche Bakterien. Solange sie dem Darmepithel und dem von den Epithelzellen ausgeschiedenen schützenden Schleim nicht zu nahe kommen, bleiben sie unbehelligt.

Mitte links: Auch in den Zellzwischenräumen können sich Erreger ansiedeln. Hier müssen sie allerdings vor patrouillierenden Immunzellen und vor Antikörpern auf der Hut sein.

Mitte rechts: Etliche Bakterien und Viren dringen in unsere Zellen ein. Die Bakterien leben dort im Zytoplasma, während …

Unten rechts: … das Erbgut der Viren in den Zellkern gelangt und sich dort unter unser eigenes Erbgut mischt, um die Vermehrungsmaschinerie unserer Zellen zu nutzen. (Die Virenhüllen bleiben draußen, anders als es diese Skizze suggeriert – aber nacktes Viren-Erbgut ist schwer zu visualisieren.)

Unten links: Die Phagozyten unseres Immunsystems verschlingen Erreger und sollen sie eigentlich in ihren Vesikeln mit Hilfe von Enzymen und aggressiven Sauerstoffverbindungen abtöten und verdauen. Etliche Erreger haben aber Abwehrmechanismen entwickelt, sodass sie in den Verdauungsvesikeln überleben können.

Angeborene und erworbene Immunantwort

Eine weitere Skizze fürs Autoimmunbuch:

Die angeborene Immunantwort (oben) reagiert schnell, aber unspezifisch auf Bakterien und andere Eindringlinge. Aufgrund allgemeiner Erkennungsmerkmale werden Erreger von Phagozyten gefressen, von den Proteinen des Komplementsystems angebohrt, sodass die auslaufen, oder mit chemischen Substanzen abgetötet. Sind sie bereits in Körperzellen eingedrungen, werden diese mitsamt ihrer gefährlichen Fracht abgetötet und sicher entsorgt.

Oft reicht das nicht aus, weil viele Erreger die angeborene Immunabwehr austricksen können. Die erworbene Immunantwort (unten) ist spezifischer: Antigenpräsentierende Zellen (APCs) führen den Lymphozyten charakteristische Erreger-Bestandteile vor. Nur Lymphozyten, deren Rezeptoren genau zu diesen Antigenen passen, vermehren sich stark und gehen durch Antikörperproduktion (B-Zellen) oder durch deren Unterstützung und andere Aktivitäten  (T-Zellen) gegen genau diese Erreger vor.  Gedächtniszellen sorgen dafür, dass eine erneute Infektion zu einem späteren Zeitpunkt rascher bekämpft werden kann.

Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Autoimmunerkrankungen

Zusammenfassung der Abstracts einiger Arbeiten:

Mesut Ogrendik: Rheumatoid arthritis is linked to oral bacteria: etiological association. Mod Rheumatol 19, 2009, 453-456, doi: 10.1007/d10165-009-0194-9 (Open Access)
Klinische Studien haben Hinweise auf signifikante Assoziationen zwischen diesen beiden Erkrankungen erbracht. Im Serum und der Gelenkflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) wurden hohe Titer von Antikörpern gegen anaerobe Mundbakterien gefunden. In ihrer Gelenkflüssigkeit wurden Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis und Prevotella intermedia nachgewiesen. Antibiotika, die gegen Infektionen mit anaeroben Mundbakterien helfen, wirken auch gegen RA. Der Autor des Reviews kommt zu dem Schluss, dass diese Bakterien direkt mit der Etiologie der RA zusammenhängen. Umso wichtiger sei es, Parodontitis zu behandeln und ihre Chronifizierung zu verhindern.

B. S. Patil, S. Patil, T. R. Gururaj: Probable autoimmune causal relationship between peridontitis and Hashimoto thyroiditis: A systemic review. Niger J Clin Pract 14, 2011, 253-261, doi: 10.4103/1119-3077.86763 (Open Access)
Manifestation und Fortschreiten von Parodontitis hängen von vielen Faktoren ab; es gibt z. B. Zusammenhänge mit systemischen Erkrankungen. Hashimoto-Thyreoiditis wurde als eine mögliche Ursache für Parodontitis diskutiert.  Die Mechanismen ähneln sich (Autoantikörper …). Bei Hashimoto-Patienten führt eine Parodontitis-Behandlung oft nicht zum Erfolg.  Abb.: mögliche Mechanismen: Hashimoto-Thyreoiditis -> Endothel-Fehlfunktion -> nicht genug NO verfügbar -> erhöhter oxidativer Stress -> erhöhte Serum-Prostanoide, Zytokine und Matrix-Metalloproteasen -> Parodontitis. Und/oder Hashomoto-Th. -> Stress -> veränderte Mikrozirkulation im Zahnfleisch -> veränderte Beweglichkeit der Zellen bei Entzündung -> Parodontitis. Weiterlesen