Schlagwort-Archive: rheumatoide Arthritis

Immunologische Meldungen des VBIO, April 2012

Verlinkte Kurzzusammenfassungen:

Neue Methode in der Immunologie – Grünes Licht für Antigene
Forscher der LMU München haben eine neue Methode entwickelt, mit der mehrere Millionen Antigene in wenigen Stunden analysiert werden können. So können körpereigene Antigene identifiziert werden, die bei Autoimmunstörungen wie Multipler Sklerose oder Schuppenflechte (Psoriasis) in T-Zellen fälschlich Immunreaktionen auslösen.

Mit den Waffen des Immunsystems
Ein Team and er Charité in Berlin hat die teils entzündungsfördernde, teils entzündungshemmende Rolle der Darmflora bei Erkrankungen wie rheumatischer Arthritis, Schuppenflechte, Morbus Crohn und Multipler Sklerose untersucht. Bestimmte Pilze fördern, bestimmte Bakterien hemmen diese Erkrankungen. Entscheidend ist der körpereigene Immun-Botenstoff Interleukin 1b:   Seine Anwesenheit hält Th17-Zellen dazu an, entzündliche Botenstoffe auszuscheiden und so Gewebe zu zerstören. Fehlt er, so reifen die Immunzellen zu antientzündlichen Zellen heran.

Wissenschaftler entwickeln neuen Ansatz zur Erforschung von Infektionen
Wissenschaftler der FAU Nürnberg-Erlangen haben Teile von Salmonellen, die normalerweise nur Tiere und keine Pflanzen infizieren, in Pflanzenzellen eingebracht. Das löste in den Pflanzenzellen einen sog. hypersensitiven Zelltod aus – ein Zeichen für evolutionär sehr alte, Pflanzen und Tieren gemeinsame Erkennungs- und Abwehrmechanismen.

Mechanismus für Entstehung von Autoimmunerkrankungen entdeckt
Ebenfalls an der FAU hat ein anderes Team die Entsorgung toter Körperzellen und Erreger durch bestimmte Immunzellen, die Gewebsmakrophagen, untersucht. Deren Enzym 12/15-Lipoxygenase spielt eine Schlüsselrolle bei der „Mülltrennung“: Noch gefährliche Erreger oder infizierte Zellen müssen anders entsorgt werden als harmlose tote Körperzellen. Fehlt das Enzym, funktioniert diese Trennung bei der Apoptose nicht mehr, und es kommt zu Autoimmunstörungen wie Lupus erythematosus.

 

Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Autoimmunerkrankungen

Zusammenfassung der Abstracts einiger Arbeiten:

Mesut Ogrendik: Rheumatoid arthritis is linked to oral bacteria: etiological association. Mod Rheumatol 19, 2009, 453-456, doi: 10.1007/d10165-009-0194-9 (Open Access)
Klinische Studien haben Hinweise auf signifikante Assoziationen zwischen diesen beiden Erkrankungen erbracht. Im Serum und der Gelenkflüssigkeit von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) wurden hohe Titer von Antikörpern gegen anaerobe Mundbakterien gefunden. In ihrer Gelenkflüssigkeit wurden Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis und Prevotella intermedia nachgewiesen. Antibiotika, die gegen Infektionen mit anaeroben Mundbakterien helfen, wirken auch gegen RA. Der Autor des Reviews kommt zu dem Schluss, dass diese Bakterien direkt mit der Etiologie der RA zusammenhängen. Umso wichtiger sei es, Parodontitis zu behandeln und ihre Chronifizierung zu verhindern.

B. S. Patil, S. Patil, T. R. Gururaj: Probable autoimmune causal relationship between peridontitis and Hashimoto thyroiditis: A systemic review. Niger J Clin Pract 14, 2011, 253-261, doi: 10.4103/1119-3077.86763 (Open Access)
Manifestation und Fortschreiten von Parodontitis hängen von vielen Faktoren ab; es gibt z. B. Zusammenhänge mit systemischen Erkrankungen. Hashimoto-Thyreoiditis wurde als eine mögliche Ursache für Parodontitis diskutiert.  Die Mechanismen ähneln sich (Autoantikörper …). Bei Hashimoto-Patienten führt eine Parodontitis-Behandlung oft nicht zum Erfolg.  Abb.: mögliche Mechanismen: Hashimoto-Thyreoiditis -> Endothel-Fehlfunktion -> nicht genug NO verfügbar -> erhöhter oxidativer Stress -> erhöhte Serum-Prostanoide, Zytokine und Matrix-Metalloproteasen -> Parodontitis. Und/oder Hashomoto-Th. -> Stress -> veränderte Mikrozirkulation im Zahnfleisch -> veränderte Beweglichkeit der Zellen bei Entzündung -> Parodontitis. Weiterlesen

Immunologische Meldungen des VBIO, 12/2011 bis 01/2012

Nachzutragen sind noch die verlinkten Überschriften einiger älterer VBIO-Meldungen aus den vergangenen Monaten:

Wie Cortison bei der Behandlung von Rheumatoider Arthritis wirkt

Neuer Auslöser von chronischen Darmentzündungen entdeckt

Makrophagen sind Teil eines unbekannten Immunsystems

Anti-bakterielle Immunantwort: Bisher unbekanntes Molekül charakterisiert

Antipsychotika können die Aktivität endogener Retroviren beim Menschen verstärken

Grundlage für neue Entzündungshemmer

Infektionsbiologen entdecken therapeutisches Potenzial von Wurmparasiten

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 3

Nachdem die Autoren der beiden bereits vorgestellten Studien zu diesem Thema zu dem Schluss gelangten, dass zumindest einige Allergien einen gewissen Schutz vor Autoimmunerkrankungen darstellen, wird es Zeit für einen Dämpfer: Wie in beiden Studien erwähnt, fanden andere Forscher keine belastbaren negativen Korrelationen zwischen diesen beiden Erkrankungstypen. Im Jahr 2011 erschien ein Review-Artikel, in dem die Frage durch eine Metaanalyse (eine systematische Zusammenführung der Ergebnisse mehrerer Einzelstudien) beantwortet werden sollte. Hier die Zusammenfassung – wie immer: noch nicht allgemein verständlich aufbereitet. Dazu werde ich demnächst einen kleinen Zeichentrickfilm drehen.

L. Monteiro et al., Association between allergies and multiple sclerosis: a systematic review and meta-analysis. Acta Neurol Scand 2011, 123/1: 1–7. DOI: 10.1111/j.1600-0404.2010.01355.x

Abstract: Multiple Sklerose (MS) ist eine Th1-dominierte Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems. Die vorliegende systematische Übersicht und Metaanalyse soll die umstrittene Beziehung zwischen MS und Allergien klären. Alle entsprechenden klinischen und epidemiologischen Studien, die bis zum Juli 2009 veröffentlicht wurden, sollten auf ihre Tauglichkeit für eine Einbeziehung in die Metaanalyse untersucht werden. Von 1010 gefundenen Artikeln wurden schließlich 10 Studien in der Analyse zusammengefasst. Das Ergebnis: Es gibt keine signifikante Assoziation zwischen MS und Allergien (odds ratio: 0,91; Konfidenzintervall 95%: 0,98-1,23), Asthma (OR: 0,83, KI: 0,48-1,44), allergischer Rhinitis (Heuschnupfen, OR: 0,81, KI: 0,59-1,12) oder Ekzemen (OR: 0,93, KI: 0,71-1,23).   Weiterlesen

Schließen Autoimmunerkrankungen und Allergien einander aus? Teil 1

Diese Frage wird schon lange diskutiert und erforscht. Dahinter steckt das bis vor wenigen Jahren kaum hinterfragte Standardmodell der zweiarmigen erworbenen Immunabwehr: Im gesunden Organismus sind die Th1-dominierte zelluläre und die Th2-dominierte humorale Immunabwehr im Gleichgewicht; die Botenstoffe im Th1-Arm hemmen den Th2-Arm und umgekehrt; beide Abwehrtypen werden so im Zaum gehalten.

Wird das Gleichgewicht – beispielsweise aufgrund genetischer Anlagen – zugunsten des Th1-Arms gestört, so kommt es typischerweise zu Autoimmunerkrankungen: Die zelluläre Abwehr richtet sich gegen körpereigenes Gewebe und wird zum Selbstläufer, weil die Entzündungsreaktion nicht mehr von Th2-Botenstoffen eingedämmt wird. Gewinnt dagegen der Th2-Arm die Oberhand, so entwickelt der Betroffene Allergien oder Asthma: Es werden massenhaft Antikörper gegen an sich harmlose Pollen oder andere Umweltstoffe freigesetzt; der Mangel an hemmenden Th1-Cytokinen führt wiederum zur Chronifizierung.

Doch dann zeigte sich, dass es neben T-Helferzellen von Typ 1 und 2 noch weitere Subpopulationen gibt, die nicht zu diesem einfachen Wippen-Modell passen. Neben den Th17-Zellen wären vor allem die regulatorischen T-Zellen oder Tregs zu nennen, die im Normalfall beide Arme der erworbenen Immunabwehr bremsen, bevor es zu chronischen Reaktionen kommt, und die dies bei Autoimmunerkrankungen oder Allergien nicht schaffen, weil es zu wenige von ihnen gibt oder weil sie inaktiv sind.

Dennoch sind viele Autoimmunerkrankungen tatsächlich Th1-dominiert, während Allergien Th2-geprägt sind. Müsste dann nicht eine vorliegende Erkrankung aus einer der beiden Kategorien eine weitere Erkrankung aus der anderen Kategorie ausschließen oder zumindest unwahrscheinlicher machen bzw. schwächer ausfallen lassen? Dieser Fragestellung sind bereits viele Forschergruppen nachgegangen – mit widersprüchlichen Ergebnissen. Hier und in den folgenden beiden Artikeln stelle ich zwei Studien und einen Review-Artikel vor.   Weiterlesen

Mindestens 14 Prozent der US-Bevölkerung haben Autoantikörper im Blut

Eigentlich befasse ich mich gerade mit der Frage, ob Th1-getriebene Autoimmunerkrankungen  und Th2-dominierte Allergien einander ausschließen, aber bevor ich darüber blogge, will ich noch schnell eine neue epidemiologische Studie über die Häufigkeit antinukleärer Antikörper im Serum und mögliche soziodemografische Einflussgrößen zusammenfassen. Der Text ist – wie immer – noch nicht allgemeinverständlich aufbereitet.

Minoru Satoh et al.: Prevalence and sociodemographic correlates of antinuclear antibodies in the United States. Arthritis & Rheumatism, accepted, unedited article published online for future issues, DOI: 10.1002/art.34380

Abstract

Als antinukleären Antikörper (ANA) bezeichnet man alle Autoantikörper, die sich gegen Bestandteile des Zellkerns richten. Sie sind die am weitesten verbreitete Klasse menschlicher Autoantikörper. Oft sind sie ein Vorzeichen für Autoimmunerkrankungen wie SLE; ihr Nachweis ist daher eine nützliche Diagnosehilfe. Die Autoren wollten die ANA-Prävalenzen und -Typen in der US-Bevölkerung ermitteln und prüfen, welche soziodemografischen Faktoren (Alter, Geschlecht, Ethnie, Einkommen, Bildung usw.) oder Verhaltensweisen (Trinken und Rauchen) ihr Auftreten beeinflussen. Für ihre Querschnittstudie verwendeten sie NHANES-Daten von 4754 Personen aus den Jahren 1999 bis 2004. Im Serum von 13,8 Prozent der über 12-Jährigen konnten sie ANA nachweisen. Frauen waren mit 17,8 Prozent stärker betroffen als Männer (9,6 Prozent), Afroamerikaner stärker als Weiße (odds ratio 1,3). Erstaunlicherweise hatten übergewichtige und fettleibige Teilnehmer seltener ANAs im Blut als Normalgewichtige (odds ratio 0,74), obwohl Fettleibigkeit eigentlich als Faktor gilt, der chronische Entzündungen begünstigt. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung hieße das, dass über 32 Millionen US-Amerikaner ANA haben.   Weiterlesen

Immunologische Meldungen des VBIO, Juli/August 2011

Auch aus den älteren VBIO-News will ich noch ein paar Meldungen zusammenfassen und verlinken:

Zentraler Schalter für das Immunsystem
Ein Team um Joachim Schultze, Direktor Genomforschung und Immunregulation am Institut Life and Medical Sciences (LIMES) der Universität Bonn, hat herausgefunden, dass das Protein SATB1 ein zentraler Schalter des Immunsystems ist. In den T-Zellen, die im Zuge einer Immunantwort Krankheitserreger bekämpfen sollen, wird es hochgefahren; in den regulatorischen T-Zellen (Tregs), die ein Überschießen der Abwehr (und damit z. B. Autoimmunerkrankungen) verhindern sollen, ist SATB1 hingegen abgeschaltet.

Immunsystem entscheidend für Multiple Sklerose verantwortlich
Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin am Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Sprecher des Exzellenzclusters Entzündungsforschung, konnte einen Durchbruch in der Erforschung der MS vermelden. In Nature wurde die bislang größte MS-Genomstudie der Welt veröffentlicht, bei der 23 bekannte Risikogenvarianten bestätigt und 29 neue genetische Varianten entschlüsselt wurden, die zur Auslösung der MS beitragen. Ein Drittel der identifizierten Gene steht auch mit der Entstehung anderer Autoimmunkrankheiten wie Morbus Crohn oder Diabetes Typ 1 in Verbindung. Auch der bereits bekannte Zusammenhang von MS und Vitamin-D-Mangel wurde weiter aufgeklärt: Zwei der gefundenen Gene sind am Vitamin-D-Stoffwechsel beteiligt.   Weiterlesen

Immunologische und virologische Meldungen des VBIO, Sept./Okt. 2011

Statt selbst viel zu schreiben, verweise und verlinke ich einfach auf einige Meldungen, die mir in letzter Zeit in den Newslettern des Biologenverbandes aufgefallen sind:

Erster Nachweis für Viren in der Erdgeschichte: Paget-Krankheit bei Dinosaurier entdeckt
Die Frage, wie alt Viren sind, wird im Autoimmunbuch angeschnitten werden: Eine lange Koevolution zwischen Viren und unseren Vorfahren, bei der endogenisierte Viren Funktionen im Immunsystem übernommen haben, setzt ja voraus, dass es Viren schon sehr lange gibt.

Programmierter Zelltod bei Morbus Crohn
Ein Forschungsteam um Claudia Günther und Christoph Becker (Uniklinik Erlangen) veröffentlichte am 15. September 2011 in Nature einen Artikel, dem zufolge das Fehlen des Enzyms Caspase-8 bei Patienten mit CED zu einem übermäßigen „Selbstmord“ (Apoptose) von Panethzellen im Darm und damit zu einer größeren Durchlässigkeit des Darmepithels für Bakterien führt.   Weiterlesen