Schlagwort-Archive: Multiple Sklerose

Da ist der Wurm drin: Können Darmparasiten Autoimmunerkrankungen eindämmen?

Peitschenwurm-Ei

A. ist 14 Monate alt, als bei ihr eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) diagnostiziert wird. Das Kind kränkelt ständig, die Medikamente haben starke Nebenwirkungen. Nach eingehenden Recherchen entschließen sich die Eltern zu einer umstrittenen, in ihrem Land nicht zugelassenen Therapie: Im Ausland lassen sie ihrer Tochter eine Dosis Peitschenwurm-Eier verabreichen, die aus dem Stuhl eines Spenders gewonnen wurden. Diese Darmparasiten entwickeln sich im Verdauungstrakt und lösen eine Abwehrreaktion aus, die die Würmer nicht abtötet, aber das Immunsystem des Kindes so umstimmt, dass die Läsionen im Darm abheilen und die Blutwerte sich normalisieren.

Eine Wundergeschichte, wie sie zu Tausenden im Internet kursieren – von Anbietern unorthodoxer Therapien und missionarisch beseelten Betroffenen lanciert? Überprüfen lassen sich die Anekdoten kaum. Aber die Fachliteratur zeigt, dass solche Verzweiflungstaten ein solideres evolutionsbiologisches Fundament haben als viele etablierte Therapien.   Weiterlesen

Zusammenhänge zwischen Schilddrüsen- und weiteren Autoimmunerkrankungen

Lymphozyt; Quelle: National Cancer Institute

A. P. Weetman, Diseases associated with thyroid autoimmunity: explanations for the expanding spectrum.
Clinical Endocrinology, 74, 2011, S. 411-418,
DOI: 10.1111/j.1365-2265.2010.03855.x

Notizen noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Zusammenfassung

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (autoimmune thyroid diseases, AITD) sind häufig mit weiteren Autoimmunerkrankungen sowie Krankheiten mit bislang unbekannten Ursachen assoziiert. In diesem Review werden neue Erkenntnisse über diese Assoziationen vorgestellt, hinter denen sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse stecken können.

Autoimmunerkrankungen, die mit AITD einhergehen

Hashimoto-Thyreoiditis (Hypothyreose, Schilddrüsenunterfunktion) und Morbus Basedow (Hyperthyreose, Schilddrüsenüberfunktion) treten oft familiär gehäuft auf, und etliche symptomfreie Angehörige haben die entsprechenden Autoantikörper im Blut. Zudem bilden die AITD in den betroffenen Individuen oder Familien Cluster mit weiteren Autoimmunerkrankungen. Die Aufklärung gemeinsamer Mechanismen bei der Pathogenese (Krankheitsentstehung) ist wichtig für unser grundlegendes Verständnis der Autoimmunerkrankungen und für die Verbesserung der Diagnose (Screening). Da AITD viel häufiger sind als die meisten mit ihnen assoziierten Krankheiten, ist es einfacher und aufschlussreicher, Betroffene mit den selteneren Erkrankungen auf AITD zu testen, als umgekehrt.   Weiterlesen

Ideenwettbewerb zur Erleichterung des Alltags von MS-Patienten verlängert

Kürzlich habe ich in einem kleinen Artikel über medizinisches Crowdsourcing auf einen von Merck Sereno finanzierten offenen Ideenwettbewerb hingewiesen, in dem es um neue Geräte oder Online-Anwendungen geht, die Betroffenen helfen könnten, die täglichen Herausforderungen eines Lebens mit MS besser zu bewältigen.

Der Wettbewerb RealMS wurde verlängert; noch bis zum 7. September können Innovationsvorschläge eingereicht und bewertet werden.

Ernährung und Autoimmunerkrankungen, Teil 2

Flavoinoide, z. B. aus Äpfeln, sollen entzündungsfördernde Zytokine hemmen.

Achtung: Bitte lesen Sie diesen Text nicht als Empfehlung für oder gegen bestimmte Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel. Ich fasse hier lediglich Literatur zusammen. Was die Autoren schreiben, muss nicht stimmen und kann z. B. durch neuere, gründlichere Studien überholt sein!

Einige der Ernährungsempfehlungen aus Donna J. Nakazawas Sachbuch „The Autoimmune Epidemic“, die ich hier notiert habe, werden durch die aktuelle Fachliteratur in Frage gestellt – andere aber bekräftigt. Eine knappe Übersicht findet sich hier:

Carlo Selmi, Koichi Tsuneyama, Nutrition, geoepidemiology, and autoimmunity

Autoimmune Reviews 9 (2010), Sn. A267-A270, doi:10.1016/j.autrev.2009.12.001

In den letzten Jahren häufen sich die Indizien, dass bestimmte Mikronährstoffe (unter anderem Vitamin D, Vitamin A, Selen, Zink, Omega-3-Fettsäuren, Probiotika und Flavonoide) eine wichtige Rolle in der Immunantwort bei Infektionen, Allergien und Autoimmunerkrankungen spielen.   Weiterlesen

Ernährung und Autoimmunerkrankungen, Teil 1

Biothymian mit Vorkoster

Achtung: Bitte lesen Sie diesen Text nicht als Empfehlung für oder gegen bestimmte Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel. Ich fasse hier lediglich Literatur zusammen. Was die Autoren schreiben, muss nicht stimmen und kann z. B. durch neuere, gründlichere Studien überholt sein!

Zwar gebe ich in diesem Blog keine Behandlungsempfehlungen ab; das wäre leichtsinnig, da ich keine Medizinerin, sondern Biologin bin. Zudem liegt jeder Fall anders, sodass pauschale Tipps gefährlich sein können. Dennoch möchte ich hier einige Notizen zusammentragen, um Betroffenen Anhaltspunkte für eigene Recherchen oder Beratungsgespräche mit ihren Ärztinnen oder Ärzten zu geben. Den Anfang macht nicht ein Fachartikel, sondern ein Sachbuch, das ich hier bereits besprochen habe.

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Donna Jackson Nakazawa, „The Autoimmune Epidemic“

Im Rahmen meiner Hintergrundlektüre und „Konkurrenzproduktanalyse“ habe ich mir vor einigen Wochen dieses Sachbuch der amerikanischen Journalistin Donna Jackson Nakazawa angeschafft (Touchstone, 2008, 328 Sn., € 18,20). Der etwas reißerische Untertitel „Bodies gone haywire in a world out of balance – and the cutting-edge science that promises hope“ ließ Schlimmes befürchten, aber das Buch hat mich trotz einiger Schwächen positiv überrascht. Ich habe viel daraus gelernt, und etwas widerwillig räume ich ein, dass es sogar zu einer Veränderung meiner Einschätzung der industriellen Entwicklung und meiner politischen Überzeugungen beiträgt. Kurz gesagt: Widerstrebend kehre ich gerade zu einigen „grünen“, zivilisationskritischen Ansichten zurück, von denen ich mich in den letzten 20 Jahren zugunsten einer optimistischeren, fortschrittszugewandteren Einstellung verabschiedet hatte. Das Kranksein bestimmt das Bewusstsein.   Weiterlesen

Geschlechtschromosomen und der Frauenüberschuss bei Autoimmunerkrankungen

Deborah L. Smith-Bouvier et al., A role for sex chromosome complement in the female bias in autoimmunge disease. J. Exp. Med. Vol. 205 No. 5, 2008, doi: 10.1084/jem.20070850

Zusammenfassung von Abstract, Einleitung und Diskussion, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet. (Die Studie kommt auch in meinen Notizen zu einem Review von Rhonda Voskuhl zur Sprache, die eine der Koautorinnen dieses Artikels ist.)

Abstract

In der Studie wurde geprüft, ob die Erkrankungswahrscheinlichkeit und -schwere bei zwei Tiermodellen für MS und SLE, nämlich experimenteller Autoimmun-Enzephalomyelitis (EAE) und Pristan-induziertem Lupus, auch unabhängig von den Sexualhormonen durch die Gegenwart der Geschlechtschromosomen X und Y beeinflusst werden. Zu diesem Zweck wurden transgene SJL-Mäuse erschaffen, in denen man die Geschlechtschromosomensätze XX und XY bei identischem Gonadentyp (Eierstöcke oder Hoden) vergleichen konnte. XX-Mäuse erwiesen sich als anfälliger für beide Erkrankungen als XY-Mäuse. Offenbar vermittelt die XX-Ausstattung eine größere Empfänglichkeit für Autoimmunerkrankungen.    Weiterlesen

Geschlechtsunterschiede bei Autoimmunerkrankungen

Strukturformel von Testosteron

Rhonda Voskuhl: Sex differences in autoimmune diseases (Review). Biol Sex Differ. 2011; 2: 1, doi:  10.1186/2042-6410-2-1

Notizen, noch nicht allgemein verständlich aufbereitet

Viele Autoimmunerkrankungen sind bei Frauen häufiger als bei Männern, darunter Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Multiple Sklerose (MS), primär biliäre Zirrhose (PBC), rheumatoide Arthritis (RA) und Hashimoto-Thyreoiditis. Eine Frau zu sein ist ein stärkerer Risikofaktor für diese Erkrankungen als jede einzelne bislang bekannte genetische oder ökologische Einflussgröße.   Weiterlesen

Hustenblocker Dextromethorphan könnte Neurodegeneration bei Multipler Sklerose bremsen

Labormaus. Foto: Aaron Logan, cc-by, www.lightmatter.net/gallery/albums.php

Wie The Scientist berichtet, haben Forscher um den kalifornischen Zellbiologen Wenbin Deng herausgefunden, dass der verbreitete Hustensaftwirkstoff Dextromethorphan in MS-Tiermodellen (Mäusen mit Experimenteller autoimmuner Enzephalomyelitis, EAE) bei niedriger Dosierung die Demyelinisierung verlangsamen kann. Während es für die Frühphase von Multipler Sklerose bereits gute entzündungshemmende Wirkstoffe gibt, wird nach einer gezielt neuroprotektiven Therapie für die chronische Phase, in der antiinflammatorische Mittel allein kaum noch wirken, fieberhaft gesucht.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift Neurobiology of Disease erschienen und nicht frei zugänglich. Dem Abstract zufolge inhibieren niedrige Dextromethorphan-Gaben zum einen die NOX2-abhängige Hyperoxidproduktion in aktivierten Mikrogliazellen, was die Entzündung hemmt. Zum anderen verringert die Behandlung bei schwächeren EAE-Fällen das Eindringen der Monozyten und Lymphozyten in das Rückenmark. Außerdem reduziert eine langfristige Verabreichung niedriger Dosen bei schwächeren EAE-Erkrankungen die Demyelinisierung und damit den Axonverlust im Lendenbereich des Rückenmarks. Inwieweit diese Ergebnisse auf MS beim Menschen übertragbar sind, bleibt abzuwarten.

Medizinisches Crowdsourcing

In Zusammenhang mit meiner Finanzierungskampagne und der Crowdconvention bin ich in den letzten Wochen auf einige ganz unterschiedliche Crowdsourcing-Projekte aus dem Medizin- und Gesundheitssektor bzw. den Biowissenschaften gestoßen.

Wird an der Wirklichkeit vorbei geplant, bahnt sich die Weisheit der vielen ihren Weg.

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