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Trogozytose: Kleider machen Leute

Die Funktion einer Immunzelle wird während ihrer Entwicklung von der Stammzelle im Knochenmark zur reifen Effektorzelle immer weiter festgelegt. Aber es gibt Ausnahmen. So bringt die sogenannte Trogozytose (vom griechischen trogo = nagen, knabbern) Flexibilität ins Spiel: Zellen können Oberflächenmarker an andere Zellen – insbesondere Immunzellen – übergeben. Die Empfängerzelle übernimmt dann trotz eines unveränderten Genexpressionsprofils neue Aufgaben, etwa Antigenpräsentation oder Toleranzinduzierung. In der Fachliteratur wird dieser Mechanismus auch als „cross-dressing“ bezeichnet.

T-Zelle, als B-Zelle verkleidet

T-Zelle, als B-Zelle verkleidet

So können etwa Monozyten oder Makrophagen Immunkomplexe aus Antigenen und Antikörpern des Typs IgG von B-Zellen übernehmen. Spender und Empfänger bilden dazu eine Synapse, eine innige Verbindung, bei der Fcγ-Rezeptoren an der Oberfläche der Empfänger an die freien konstanten Ende der Antikörper binden, die wiederum mit ihrer antigenspezifischen Seite an die Antigene gebunden sind, die die B-Zellen auf ihrer Oberfläche tragen. Wenn sich die Zellen wieder voneinander lösen, bleibt ein Teil der Membran des Spenders mitsamt Antikörpern und Antigenen an der Empfängerzelle haften. Die Spenderzelle schnürt diesen Membranteil ab, ohne dabei Schaden zu nehmen. Der Empfänger baut die geklauten Proteine ab oder präsentiert sie auf seiner Oberfläche, wo sie von anderen Zellen erkannt werden können.

Nach diesem Schema verläuft auch die Übernahme von Antigen-beladenen MHC-Komplexen durch T-Zellen:   Weiterlesen

Die Rolle von HLA-G bei Autoimmunerkrankungen

Am Ende des letzten Beitrags habe ich das Protein HLA-G erwähnt, mit dem der Trophoblast – die Kontaktfläche des Embryos zum mütterlichen Gewebe – die Immunzellen in der Gebärmutter friedlich stimmt und für die nötigen Umbaumaßnahmen im Adernetz rekrutiert.

Die klassischen HLA-Moleküle wie HLA-A sind extrem polymorph, d. h. es gibt zahlreiche leicht unterschiedliche Varianten, da diese Moleküle die Aufgabe haben, Abermillionen unterschiedlicher Antigen-Bruchstücke zu binden und den Immunzellen zu präsentieren. HLA-G weist einen viel geringeren Polymorphismus auf und hat entsprechend andere Funktionen. Sein Gen liegt – wie das von HLA-A – im Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) auf Chromosom 6. Man kennt vier membrangebundene Formen (G1 bis G4) und drei lösliche (G5 bis G7).

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Die 7 Isoformen von HLA-G und ein HLA-G5-Dimer

 

Die membrangebundenen Formen können aber durch Enzyme von der Zelloberfläche abgeschnitten werden und den Zellen dann ebenfalls als lösliche Signalstoffe dienen. Einige der Formen können sich zu Dimeren zusammenlagern (s. Abb.: unten ein Dimer aus zwei HLA-G5-Molekülen).

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T-Zell-Rezeptoren sind degeneriert

Manche Fachbegriffe fordern Missverständnisse geradezu heraus; „degeneriert“ gehört sicherlich dazu. Gemeint ist, dass das Repertoire der T-Zell-Rezeptoren in jedem einzelnen Menschen zwar groß ist (schätzungsweise 1-100 Millionen unterschiedliche Typen), aber längst nicht ausreicht für eine hochspezifische 1:1-Erkennung jeweils eines Antigen-Peptids durch einen Rezeptortyp. Die Zahl der Peptide, die die antigenpräsentierenden Zellen im Laufe unseres Lebens auf ihren MHC-Molekülen präsentieren können, ist einfach gigantisch. Daher muss ein T-Zell-Rezeptor auf zahlreiche verschiedene Peptid-MHC-Komplexe reagieren können. Und so geht’s:

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Unten das MHC-Molekül, das als Präsentierteller in der Membran einer antigenpräsentierenden Zelle (etwa einer dendritischen Zelle oder einer B-Zelle) verankert ist. In der Mitte das Peptid, also die Aminosäurenkette, die diese Zelle aus einem aufgenommenen Antigen gewonnen hat und nun vorführt. Und oben der T-Zell-Rezeptor, der in der Membran einer T-Zelle verankert ist. Dieser Rezeptor braucht nur an wenige Stellen – teils an der Oberfläche des MHC-Moleküls, teils an der ihm zugewandten Seite des Peptids – wirklich gut zu binden, um die T-Zelle zu aktivieren. Die Hohlräume zeigen: Welche Aminosäure-Seitenketten ihm an den anderen Stellen entgegengestreckt werden, ist dem Rezeptor egal.

Folglich erkennt eine T-Zelle mit ihrem individuellen Rezeptortyp nicht nur ein Antigen, sondern etliche. Hier sind es zwei Pickelhauben (in meinen Cartoons die typische Kopfbedeckung pathogener Bakterien), aber leider auch ein harmloser Bauhelm – also ein Antigen, das vielleicht von einem Pflanzenpollenkorn, von einem gutartigen Bakterium aus unserem Mikrobiom oder von einer körpereigenen Zelle stammt:

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Und hier noch eine „realistischere“ oder zumindest weniger schematische Darstellung der Bindungsstelle eines MHC-Moleküls und des passenden T-Zell-Rezeptors:

MHC-Peptid-TCR-Bindung_650

Wir blicken aus der Perspektive der T-Zelle auf die Front eines MHC-Moleküls der antigenpräsentierenden Zelle. Die Kontur des darauf präsentierten Antigen-Peptids ist gepunktet. Die sechs „Würmer“ sind die entscheidenden Erkennungsschlaufen an der Front des ansonsten unsichtbaren T-Zell-Rezeptors. Normalerweise binden nur die mittleren zwei oder drei Schlaufen Aminosäuren des Antigen-Peptids, während die äußeren Schlaufen vor allem mit der Oberfläche des MHC-Moleküls Kontakt haben.

Da die mittleren Schlaufen nicht starr, sondern ein wenig verformbar sind, akzeptieren sie unterschiedliche Peptide als Bindungspartner. Ab und zu leider auch solche, die aus Autoantigenen stammen. Und wenn dann noch ein paar Kontrollmechanismen versagen, kommt eine Autoimmunreaktion in Gang.

Schichtarbeit: Der Tag-Nacht-Rhythmus von Immunreaktionen

Neulich las ich, dass selbst schwaches Nachtlicht eine Brustkrebstherapie u. U. wirkungslos machen kann, weil das Licht die nächtliche Melatoninproduktion stört, was wiederum die Tumorzellen stärkt. Beim Nachrecherchieren führte eins zum anderen, und zack: Schon muss das Autoimmunbuch um ein Kapitel erweitert werden. Wie die sogenannte circadiane Rhythmik – das Schwingen aller möglicher Abläufe in unserem Körper mit einer Periode von etwa 24 Stunden – und der nächtliche Schlaf unser Immunsystem regeln, ist nämlich hochspannend und auch für Autoimmunerkrankungen relevant.

Von dem Dutzend Arbeiten, die ich zum Thema gelesen habe, empfehle ich vor allem die Übersicht „T Cell and Antigen Presenting Cell Activity During Sleep“ von Tanja Lange und Jan Born (2011), auf der die meisten der folgenden Abbildungen basieren.

Wie stellt das Immunsystem sicher, dass sich entzündungsfördernde und entzündungshemmende Signale, die angeborene und die erworbene Abwehr sowie der Th1- und der Th2-Arm der erworbenen Abwehr nicht ins Gehege kommen? Durch räumliche und zeitliche Trennung: Der Tag gehört den entzündungshemmenden Signalen, der angeborenen Abwehr und denjenigen Zellen der erworbenen Abwehr, die Pathogene unmittelbar bekämpfen: den zytotoxischen T-Zellen. Und in der Nacht – vor allem, wenn man schläft und nicht durchwacht – dominieren Entzündungsreaktionen, die uns tags bei lebensnotwendigen Aktivitäten stören würden. Außerdem wird nachts durch die Kontakte zwischen antigenpräsentierenden Zellen und T-Helferzellen das immunologische Gedächtnis angelegt.

Hormone aus der Zirbeldrüse und der Hypophyse im Gehirn sowie aus der Nebennierenrinde, deren Ausschüttung von der zentralen inneren Uhr im Hypothalamus gesteuert wird, sorgen dafür, dass die richtigen Zellpopulationen zu jeder Zeit am richtigen Ort sind – also im Blut, im Lymphsystem, im peripheren Gewebe oder im Knochenmark. Die zentrale innere Uhr basiert auf einer Handvoll Gene, deren Ableseprodukte (die Proteine PER, CRY, REV-ERB, ROR, CLOCK und BMAL) wechselseitig ihre eigene Ablesung ein- und ausschalten. Ohne äußere Impulse oszilliert diese Rückkopplung mit einer Periode von etwas mehr als 24 Stunden. Durch Tageslichtsignale – von Nervenzellen in der Netzhaut an den Hypothalamus übermittelt – wird sie auf genau 24 Stunden eingestellt.

Die zentrale Uhrzeit wird vor allem durch das Zirbeldrüsen-Hormon Melatonin an die Zellen im gesamten Körper übermittelt. Die Melatoninkonzentration ist mitten in der Nacht am höchsten, fällt noch in der Nacht steil ab und bleibt tags sehr niedrig, bis sie abends wieder anzusteigen beginnt:

TagNacht_Melatonin_beschriftet_Quelle_Netz_650In dieser und den folgenden Abbildungen ist die Konzentration im Blut während etwas mehr als 24 Stunden dargestellt, beginnend mit dem Abend eines Tages bis zum Abend des nächsten Tages.  Die beiden senkrechten Linien markieren die Nacht, in der man idealerweise zwischen 23 und 7 Uhr schläft. In der ersten Nachthälfte gerät man in den Tiefschlaf, hier wegen der englischen Bezeichnung slow-wave sleep als SWS bezeichnet. Diese Schlafphase ist für die Regelung des Immunsystems entscheidend.

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Bildergalerie

Da ich im Moment nicht zum ausführlichen Bloggen komme, stelle ich hier einfach die neuesten Abbildungen fürs Buch vor: unkommentiert – und damit wohl auch unverständlich. Aber das eine oder andere Element spricht vielleicht doch für sich selbst:

P1200120_IFN_und_AIE_1000

P1200095_U-Form_1_Grundtonus_nach_Casadevall_650

P1200100_U-From_2_entzündungshemmend_nach_Casadevall_650

P1200105_U-Form_3_entzündungsfördernd_nach_Casadevall_650

P1190917_Wahren-Herlenius_Autoimmunität_Risiken_650

Wahren-Herlenius_Rückkopplung_angeb_erw_Abwehr_AIE_650

  Primär_Sekundärantwort_IgM_IgG_650

Zeitverlauf_klonale_Expansion_Kontraktion_CD4_CD8_650n

Und jetzt weiter im Text – oder vielmehr im Bild: Die nächste Zeichnung dreht sich um die circadiane Rhythmik des Immunsystems, also die Schwankungen von Zell- und Stoffkonzentrationen sowie -funktionen im Tagesverlauf.

Neandertaler-Erbe in unserem Immunsystem

Sapiens-Neandertaler-Paar_650Schnelle Notizen zu 14 kürzlich gelesenen Artikeln – nicht allgemein verständlich aufbereitet, nicht korrekturgelesen und in dieser Form wahrscheinlich nur für mich selbst nützlich. 🙂 Das Ganze wird im letzten Teil des Buches verwurstet, in dem ich die Evolution unseres Immunsytems chronologisch abhandle.

Gibbons A. (2014): Neandertals and moderns made imperfect mates. Science 343, 31.01.2014 (News zu den Arbeiten von Sankararaman et al. 2014, s. u., sowie Vernot & Akey 2014)

Vernot & Akey haben nur moderne Humangenome aus dem 1000 Genomes Project verglichen und daraus Rückschlüsse auf Neandertaler-Einkreuzungen gezogen; Sankararaman et al. haben auch Neandertaler-Genomsequenz einbezogen. Neandertaler haben Spuren in Haut, Nägeln und Haaren (Keratin) hinterlassen; Nachfahren der Hybriden waren weniger fruchtbar als „reine“ moderne Menschen.

In über 60% von 1004 ostasiatischen und europäischen Genomen Neandertaler-Version des Keratinfunktion-Gens. Keratin macht Haut wasserdicht, blockiert Pathogene, macht Haut wärme- und kälteempfindlich -> Anpassung an kältere Habitate?

Neandertaler-Allele, die Risiko für Krankheiten wie Lupus, Morbus Crohn usw. erhöhen, haben Neandertalern vermutlich nicht geschadet, passten aber schlecht zum neuen Kontext im modernen Menschen.

Weitere Neandertaler-Allele -> Hautfarbe.

In allen untersuchten modernen Humangenomen zusammen 20 bzw. 30% des Neandertaler-Genoms wiedergefunden; in einem Individuum stammen 1-3% des Genoms vom Neandertaler. Einkreuzung vor etwa 60.000 Jahren.

Etwa 20 Regionen des Humangenoms enthalten keine Neandertaler-DNA -> negative Selektion wegen Fortpflanzungsnachteilen der Hybriden. Frauen bleiben wegen doppeltem X-Chromosom eher fruchtbar -> Jetzt wird untersucht, ob wir mehr DNA von weiblichen als von männlichen Neandertalern übernommen haben. (Gemeint ist wahrscheinlich das Geschlecht der gemischten Kinder, nicht des reinen Neandertaler-Elternteils – da macht es keinen Unterschied, solange männliche Hybriden mit Neandertaler-X und modernem Y ebenso (un)fruchtbar sind wie männliche Hybriden mit modernem X und Neandertaler-Y.)

Sankararaman S. et al. (2014): The genomic landscape of Neanderthal ancestry in present-day humans. nature, doi:10.1038/nature12961

Vergleich zwischen Neandertaler-Genomen und 1004 modernen Genomen (darunter 176 Yoruba, mutmaßlich Neandertaler-frei) -> Neandertaler-Haplotypen abgeleitet. Regionen mit vielen Neandertaler-Allelen enthalten viele Gene, die Keratinfilamente beeinflussen -> Haut und Haar -> Anpassung moderner Menschen an außerafrikanische Umwelt erleichtert? Große Neandertaler-Allel-freie „Wüsten“ im Humangenom, z. B. auf X-Chromosom, das viele Gene für männliche Fruchtbarkeit enthält; nur teilweise durch geringe Populationsgröße kurz nach Einkreuzung zu erklären  -> negative Selektion, evlt. weil Neandertaler-Allele im Genom-Kontext des modernen Menschen Fruchtbarkeit minderten.

Haplotyp-Längen -> Kreuzung vor etwa 2000 Generationen, also 37.000-86.000 Jahren. Neandertaler-Anteil in individuellen Genomen: heute durchschnittlich 1,15% in Europa, 1,38% in Ostasien; kurz nach Einkreuzung über 3% (abgeleitet aus Anteil in „Nicht-Wüsten-Regionen“). Größerer Anteil in Ostasiaten evtl. wegen über lange Zeit kleinerer Populationen als in Europa -> negative Selektion weniger effektiv. Mutmaßlichem Neandertaler-Anteil an einzelnen Genorten: bis zu 62% in ostasiatischen, bis zu 64% in europäischen Populationen. In einigen dieser Regionen Anzeichen für positive Selektion, an an deren negative Selektion.

Aus Neandertalern stammende Allele beeinflussen Risiko für SLE/Lupus, primär biliäre Zirrhose (beides: Transportin-3), Morbus Crohn (Chromosom 10: Zinkfinger-Protein 365, Chromosom 12: Gen unbekannt?), IL-18-Level (Regulator der angeborenen und erworbenen Immunität) , Typ-2-Diabetes, Rauchen und Größe des Blinden Flecks.

Obwohl bei der Einkreuzung nur etwa fünfmal mehr Zeit seit der Aufspaltung zwischen Neandertalern und Vorfahren der modernen Menschen vergangen war als heute seit der Aufspaltung zwischen Europäern und Westafrikanern, war die Fruchtbarkeit der Hybriden wohl wegen Schneeball-Effekten (Dobzhansky-Müller-Inkompatibilitäten) stark reduziert.

Prüfer K. et al. (2014): The complete genome sequence of a Neanderthal from the Altai Mountains. Nature 505, doi:10.1038/nature12886

Hochwertige Genomsequenz einer Neandertaler-Frau aus der Denisova-Höhle in Altai-Gebirge, Sibirien – gewonnen aus einem Zehenknochen aus einer etwa 50.000 Jahre alten Schicht. In derselben Höhle, aber in einer etwas jüngeren Schicht wurde auch der Fingerknochen gefunden, aus dem die vorläufige Genomsequenz des Denisova-Menschen ermittelt wurde. Vergleich mehrerer Neandertaler-Genome (auch aus dem Kaukasus und Kroatien, s. Karte Abb. 1), des Denisova-Menschen-Genoms und 25 moderner Humangenome -> Modell der Einkreuzungsereignisse zwischen modernem Menschen, Denisova, Neandertaler und einem unbekannten Hominiden (Abb. 8).  Weiterlesen

MHC-Moleküle, Antigenbindung und Superantigenbindung

Weitere Grundlagen-Zeichnungen; Erläuterungen folgen im Buch.

P1170277_Aufbau_MHC_I_MHC_II_650

MHC-Klasse-II-Komplex mit Antigen wird von passendem T-Zell-Rezeptor erkannt:

P1170282_immunologische_Synapse_MHC_Antigen_TCR_ohne_CD4_s_500

CD4 dockt außen an MHC-II-β-Kette an und stabilisiert die Verbindung:

P1170282_immunologische_Synapse_MHC_Antigen_TCR_CD4_s_500

Superantigene binden sowohl an MHC-Klasse-II-Moleküle als auch an T-Zell-Rezeptoren außerhalb der Antigenbindungsstelle. So lösen sie starke Immunreaktionen in allen möglichen T-Zellen aus:

P1170282_immunologische_Synapse_MHC_Peptid_TCR_CD4_Superantigen_weniger_Beschriftung_500

 (Quelle für Anordnung Superantigen-Bindung: http://course1.winona.edu/kbates/Immunology/images/figure_11_08.jpg)

Was passiert bei Immunneuropathien?

Ich habe meine Fazialislähmung zum Anlass genommen, für das Buch zu skizzieren, wie eine Immunneuropathie abläuft. Zu den Immunneuropathien zählen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, das Guillain-Barré-Syndrom, chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) oder vaskulitische Neuropathie. Bei einigen ist das periphere, bei anderen das zentrale Nervensystem betroffen. Oft beschränkt sich die Störung (wie bei der Fazialislähmung) auf einen einzelnen Nerv.

Am Anfang steht vermutlich immer die Reaktivierung eines latenten Virus (z. B. Herpes) oder eine oftmals unbemerkte, da symptomfreie (sogenannte stumme oder maskierte) Infektion, hier durch ein maskiertes Bakterium dargestellt. Eine in der Blutbahn oder im Gewebe patrouillierende Immunzelle – hier eine dendritische Zelle (DC) – entdeckt den Eindringling:

Die dendritische Zelle nimmt Teile des Erregers auf und verarbeitet sie zu einem präsentablen Antigen weiter. Sie verwandelt sich in eine antigenpräsentierende Zelle (APC), die einer T-Helferzelle das Antigen auf ihrem MHC-Klasse-II-Rezeptor (hier: Tablett) präsentiert. Damit es nicht zu Fehlalarmen kommt, gibt es einen Sicherheitsmechanismus: T-Helferzellen reagieren nur dann auf ein Antigen, wenn ihnen gleichzeitig auf einem anderen Rezeptor ein sogenanntes kostimulierendes Signal präsentiert wird, das anzeigt, dass wirklich eine Infektion oder eine andere Gefahr vorliegt, die bekämpft werden muss (hier: Kerze). Auf der Oberfläche der T-Zelle gibt es für beide Signale spezifische Rezeptoren (hier: Augen/Blickkontakt):

Die T-Helferzellen reichen die Information über das Vorliegen eines Gefahr (Kerze) und über die genaue Art der Gefahrenquelle, also das Antigen (Augenbinde des Bakteriums), über Rezeptoren und Signalstoffe (Sprechblase) an B-Zellen weiter und regen diese so zur Produktion spezifischer Antikörper an:

Die B-Zellen schütten massenhaft Antikörper aus (Eimer), die spezifisch an „ihr“ Antigen binden und die Gefahrenquellen so zum Teil direkt schachmatt setzen, zum Teil zur anschließenden Zerstörung und Entsorgung markieren:

Diese normale Immunreaktion spielt sich in der Blutbahn, im Lymphgewebe und lokal im infizierten Gewebe ab. Aber manchmal läuft etwas schief: Aktivierte T-Zellen können die Blut-Nerven-Schranke durchdringen und von der Blutbahn (im nächsten Bild links) in einen Nerv (rechts) überwechseln. Das sollte eigentlich nicht passieren, da Nerven zu den sogenannten immunprivilegierten Orten im Körper gehören: Da Entzündungsreaktionen hier viel Schaden anrichten können, sind diese Orte für die meisten Immunzellen tabu. Weiterlesen

Immunneuropathien am Beispiel des Guillain-Barré-Syndroms

Ein Buchkapitel – für mich überwiegend nur am Rande interessant (wegen der Ansicht einiger Autoren, Bell’s palsy sei eine mononeuritische GBS-Variante), aber gute, einfache Darstellung des Grundmodells (Abb.):

M. Mäurer et al. (2012): Immunneuropathien. In: M. Stangel und M. Mäurer, Autoimmunerkrankungen in der Neurologie, Springer

Sowohl dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) als typischer akuter inflammatorischer Neuropathie als auch der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) liegen Autoimmunreaktionen gegen Myelin zugrunde. Lymphozyten und Makrophagen dringen in die peripheren Nerven ein (Infiltration). Primär meist Demyelinisierung, sekundär Schädigung der Axone. Tiermodell: experimentelle autoimmune Neuritis (EAN), die durch Immunisierung von genetisch anfälligen Versuchstieren mit peripherem Myelin, Myelinprotein P2 oder einer Peptidsequenz daraus oder mit den Myelinproteinen P0, MBP, PMP oder MAG ausgelöst wird. Molekulare Mimikry bei GBS, analog zu MS: Antigenpräsentierende Zellen (APCs) präsentieren auf ihren MHC-II-Molekülen Epitope, die Myelinstrukturen sehr ähneln -> Aktivierung und klonale Expansion naiver T-Zellen, die auch Myelin attackieren – z. B. nach Campylobacter-jejeuni-Infektionen. Bei etwa der Hälfte der GBS-Patienten Antikörper gegen Ganglioside (in Zellmembran verankerte Sphingolipide) gefunden, die als „lipid drafts“ für die Nervenimpulsübertragung wichtig sind. Je nach GBS-Variante andere Antigangliosid-Antikörper. Aus Patienten isolierter C.-jejeuni-Keime exprimieren Lipooligosaccharide (LOS), die den Kohlenwasserstoffanteilen der Ganglioside ähneln. Antikörper kreuzreaktiv, erkennen also sowohl die LOS als auch die Gangliosid-Komplexe. Bei GBS aber auch Antikörper gegen andere Glykolipide und Myelinproteine nachgewiesen; Zielstruktur also noch unklar.   Weiterlesen